Ejn Soldat vor einem der blauen Waggons der ukrainischen Eisenbahn: Der Staatskonzern gilt  wegen seiner logistischen Schlüsselrolle als „zweite Armee“.
Ukraine

Die „zweite Armee“ rollt an

Die staatliche Eisenbahn spielt in diesem Krieg eine Schlüsselrolle. Ohne sie geht fast nichts im Land. Eine Nachtzugfahrt nach Kiew.

In den Kabinen sind die Jalousien heruntergezogen, um kein Aufsehen zu erregen. Abgedunkelt rollt der Zug durch die ukrainische Nacht. In Waggon 35, in der ersten Kabine, hat Natalja den Blick in ihr Smartphone versenkt. Ihre Arbeit ist für heute großteils getan. Sie vertreibt sich mit dem Ansehen von Kurzvideos die Zeit. Angst spürt Natalja während der Zugfahrt keine. Sie kennt die Strecke nach Kiew. Und es ist ja noch immer gut gegangen. In ein paar Stunden wird Natalja Kaffeepulver in heißes Wasser rühren und den Gästen reichen. So weit, so unspektakulär.

Und doch ist Natalja ein kleines Rädchen in der „zweiten Armee“ der Ukraine. Sie arbeitet als Zugbegleiterin für die – ein Zungenbrecher – Ukrsalisnyzja, für die ukrainische Eisenbahngesellschaft. Der Staatskonzern ist ein Symbol des Widerstands. Ein Mythos. Weil selbst auf dem Höhepunkt von Putins Angriffskrieg die Züge rollten. Das Bahnsignal lautete: Der Staat funktioniert. Er kollabiert nicht.

Auch wenn die Bezeichnung „zweite Armee“ augenzwinkernd gemeint ist, so drängt sich eine Parallele zur richtigen Armee auf: Wie die Streitkräfte wurde auch die Bahn vor dem Krieg unterschätzt. Sie hatte einen zweifelhaften Ruf. Schulden und Korruption plagten. Aber heute genießt die Bahn Kultstatus. Sie karrt Flüchtlinge, Politiker, Soldaten, Getreide, Hilfsgüter und Waffen durch das Land. Wenn es stimmt, dass die Logistik Kriege gewinnt, fällt der Ukrsalisnyzja eine Schlüsselrolle zu.

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