Quergeschrieben

Wenn etwas schiefgeht, sind wahrscheinlich die Tiroler schuld

Ost-West-Konflikt in Österreich: Warum der ORF mitten im Sommer über Schneekanonen reden will.

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Das ging schneller als erwartet. Kaum beginnt die Debatte über mögliche Zwangsmaßnahmen gegen den drohenden Energienotstand etwas Fahrt aufzunehmen, schon stehen die Tiroler am Pranger: „Sind Schneekanonen in Tirol systemkritisch?“, wurde Arbeitsminister Martin Kocher jüngst in der „ZiB 2“ gefragt. Man dürfe das nicht anhand einzelner Beispiele diskutieren, stammelte Kocher – sichtlich überrascht, dass sie auf dem Küniglberg mitten in der Sommerhitze schon wieder ans Skifahren denken.

ORF-Mann Martin Thür hätte auch das Wiener Riesenrad samt angeschlossenem Wurstlprater als Beleg für nicht lebensnotwendigen Stromverbrauch wählen können. Oder die Rasenheizungen sämtlicher Stadien der Fußballbundesliga. Oder vielleicht sogar das (demnächst gebührenpflichtige) Streaming von ORF-Sendungen. Aber nein, die Schneekanonen mussten es sein. Natürlich die in Tirol, nicht die am Semmering oder am Nassfeld. Sendezeit im Hauptabend ist knapp; da gilt es, sich auf anerkannte Übeltäter zu konzentrieren. Und solche sitzen nun mal gehäuft in Westösterreich.

Ich bin Tirolerin und deshalb sicher nicht objektiv. Aber ist es wirklich nur meine fernpatriotisch motivierte Paranoia, wenn mir vorkommt, dass die Tiroler neuerdings ein bisschen zu oft vorgeführt werden? Unter den aktuellen Plagen gibt es kaum eine, die nicht durch angebliches Fehlverhalten in düsteren Alpentälern zumindest verschlimmert worden sein soll. Von Corona über den Klimawandel bis zum Energienotstand taugen die Tiroler als Testimonials für beinahe alles, was schiefgeht. Nur in die Steigerung der Inflationsrate sind wir offenbar nicht führend involviert. Aber das kommt vielleicht noch, wenn die Skihütten wieder aufsperren und in den sozialen Medien erste Postings über Speckknödel zu Wucherpreisen die Runde machen.

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