Gastkommentar

Der alte Billroth aus Beton im Alten AKH

Wie die alten Mauern des Allgemeinen Krankenhauses in Wien als Gedächtnisort funktionieren können.

Der Autor

Dr. Johannes Miholic (* 1948) ist niedergelassener Facharzt für Chirurgie in Wien.

Das Josephinum, eines der schönsten Gebäude der Hauptstadt, erstrahlt in neuem Glanz und soll im Herbst wiedereröffnet werden. Der Bau soll in einer Ausstellung zur Eröffnung seine Geschichte reflektieren. Die äußerst verschlungenen Wege des Fachs Medizingeschichte, deren Institut in der Währingerstraße das einzige in Österreich ist, sind selbst bereits Gegenstand spannender historischer Recherche.

Ein vielversprechendes Projekt Erinnerungspolitik stellt die Gestaltung des Areals des alten Allgemeinen Krankenhauses mit Erinnerungstoren dar, die nach verfolgten und vertriebenen Wissenschaftlerinnen benannt wurden. Hier werden auch die im Laufe der Zeiten entstandenen Denkmäler und Erinnerungstafeln reflektiert und ihr Kontext mitunter neu konstruiert. Eines der Denkmäler wird nun nach fast 80 Jahren neu beleuchtet, in der Ausstellung im Josephinum: das Billroth-Denkmal, das 1944 enthüllt wurde. Es zeigt Theodor Billroth mit aufgekrempelten Ärmeln, der sich die Hände wäscht. Das ursprüngliche Material der Statue soll – aus Kostengründen – nicht so edel gewesen sein, wie der dann 1951 verwendete Marmor. Es scheint historisch unklar, ob der 1944er Billroth aus Gips, Beton oder anderem Ersatz war. Beton war damals ein breit verfügbares Material, gussfreundlich und der Bunkerarchitektur metaphorisch nahestehend. Gips wiederum war das Material, mit dem die Nazis Clemens Holzmeisters expressionistische Innendekoration des Festspielhauses 1938 mit einem Faux Rococo nach Führers Geschmack überklebten. Oft sind nicht symbolische Allegorien passende Metaphern für eine Periode, sondern trivialere Alltagsgegenstände. So ist der Operationsbunker aus 1943 im Ersten Hof des alten AKH eine gültigere Metapher für eine Chirurgie im Eroberungs- und Vernichtungskrieg. Der Bunker aus dem zeittypischen Werkstoff Beton sorgte, sehr vorausschauend – denn die erste Bombardierung Wiens fand erst am 17. März 1944 statt –, schon früh für furchtloses und daher zitterfreies Operieren im Bombenhagel. Ähnlich war das Behelfsheim – massenhaft hergestellte Lagerarchitektur, Baracken – nach Hans Mommsen der wichtigste Gebäudetypus im Dritten Reich.

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