Betrugsskandal

Wirecard: Die Aufarbeitung ist noch lang nicht zu Ende

Durch den Wirecard-Skandal haben Anleger und Anleger und Banken Milliarden verloren.
Durch den Wirecard-Skandal haben Anleger und Anleger und Banken Milliarden verloren.Getty Images
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Vor zwei Jahren ist der Börsenstar nach einem spektakulären Bilanzskandal pleitegegangen.

Zwei Jahre ist es nun her, dass der Zahlungsdienstleister Wirecard in die Pleite geschlittert ist und einer der größten Finanzskandale der jüngeren deutschen Geschichte offenbar wurde. In der Bilanz des Technologieunternehmens klaffte eine Lücke von 1,9 Milliarden Euro: Firmengelder, die angeblich auf Treuhandkonten in Asien liegen sollten, existierten doch nicht.

Jahrelang hatte Wirecard als der Börsenstar schlechthin gegolten, als europäisches Pendant zu den großen amerikanischen Tech-Konzernen. Zeitweise hatte der Zahlungsdienstleister die Deutsche Bank beim Börsenwert überholt, schließlich zog er sogar in den Leitindex DAX ein. Dabei gab es jahrelang Gerüchte, dass mit den Bilanzen etwas nicht stimmte, vor allem die britische „Financial Times“ ließ nicht locker. Doch Wirecard dementierte stets.

Die Börsenaufsicht Bafin stellte sich auf die Seite des DAX-Stars und untersagte zeitweise Leerverkäufe (Wetten auf fallende Kurse) auf Wirecard-Aktien, auch Wirtschaftsprüfer EY fiel jahrelang nichts auf. Erst für das Jahr 2019 verweigerte EY die Bestätigung, was den Skandal ins Rollen brachte. Der Börsenwert von Wirecard, zeitweise mehr als 20 Milliarden Euro, fiel ins Bodenlose, Anleger verloren viel Geld. Doch wer ist eigentlich schuld an der Pleite?

Diese Frage ist noch längst nicht aufgearbeitet. Ex-Asien-Vorstand Jan Marsalek hat sich abgesetzt, Ex-CEO Markus Braun sitzt seit zwei Jahren in U-Haft. Die Münchner Staatsanwaltschaft wirft dem Österreicher und zwei weiteren Ex-Managern gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor und hat im März Anklage erhoben. Die Manager sollen seit 2015 die Bilanzen gefälscht und kreditgebende Banken um insgesamt 3,1 Milliarden Euro geschädigt haben. Außerdem wirft die Staatsanwaltschaft Braun Untreue und Marktmanipulation vor. Braun bestreitet alle Vorwürfe, er sieht sich selbst als Opfer von Betrügern: Immerhin war er der größte Aktionär von Wirecard.

Auch Exchef Braun soll zahlen

Mittlerweile hat der ehemalige Chefbuchhalter von Wirecard, Stephan von Erffa, zugegeben, Dokumente gefälscht zu haben, die von KPMG im Rahmen einer Sonderprüfung angefordert wurden, berichtete kürzlich das „Manager Magazin“. Zuvor hatte sich Oliver Bellenhaus, früher Chef der Dubai-Tochter, den Behörden gestellt, er tritt als Kronzeuge der Staatsanwaltschaft auf.

Indes sind die Chancen gestiegen, dass die Gläubiger zumindest einen Teil ihrer Forderungen erhalten. Insolvenzverwalter Michael Jaffé hat kürzlich 227 Millionen Euro gesichert, die Wirecard auf den Konten der ehemaligen Tochter Wirecard Bank geparkt hat. Insgesamt hat Jaffé im Zuge des Insolvenzverfahrens damit nach Reuters-Berechnungen mehr als eine Milliarde Euro erlöst. Die Forderungen der Gläubiger und Aktionäre sind aber ungleich höher.

Rolle von Wirtschaftsprüfer umstritten

Wie hoch die Insolvenzquote ausfallen könnte, sei derzeit ebenso wenig absehbar wie der Zeitpunkt, zu dem die Gläubiger mit ersten Abschlagszahlungen rechnen könnten, heißt es in dem Bericht.
Jaffé geht auch gegen Braun selbst vor. Das Landgericht München I hat kürzlich den Vermögensarrest bestätigt, den Jaffé Ende 2021 über bis zu 140 Millionen Euro aus dem Privatvermögen von Braun – dabei handelt es sich unter anderem um Immobilien in Frankreich und Österreich – erwirkt hat. Und da das Landgericht München die Bilanzen des Skandalkonzerns der Jahre 2017 und 2018 für nichtig erklärt hat, will Jaffé auch die für diese Jahre bezahlten Dividenden zurückfordern, und zwar von Braun selbst sowie von anderen Großanlegern, nicht jedoch von Kleinaktionären.

Durch das Urteil sehen sich indes auch jene Aktionäre bestätigt, die den Wirtschaftsprüfer EY geklagt haben. Auch in Österreich wird diesbezüglich prozessiert. Wie „Die Presse“ kürzlich berichtete, hat der Oberste Gerichtshof (OGH) eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien bestätigt, die eine internationale Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien für eine Klage eines Wirecard-Aktionärs bejaht. Der Aktionär hat sowohl einen ehemaligen Wirecard-Aufsichtsrat geklagt, der seinen Wohnsitz in Österreich hat, als auch den ehemaligen Abschlussprüfer von Wirecard, EY mit Sitz in München. Ob tatsächlich eine Haftung besteht oder nicht, ist freilich noch nicht gesagt.

Indes musste Commerzbank-Analystin Heike Pauls, die die Wirecard-Aktie jahrelang hochgejubelt hatte, das Unternehmen verlassen, wie die „Wirtschaftswoche“ schreibt. Laut Bankkreisen haben Pauls und das Geldhaus ihren monatelangen Rechtsstreit beendet und sich verglichen. Pauls erhält eine Abfindung, damit sie ihre Stelle bei dem Geldhaus aufgibt. (ag./b. l.)

("Die Presse" Print-Ausgabe, 26.07.2022)

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