Geringe Wahlbeteiligung

Tunesien spricht sich offenbar für Verfassungsreform aus

Tunisian referendum on a new constitution
Tunisian referendum on a new constitutionREUTERS
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Die Wahlbeteiligung beim Verfassungsreferendum in Tunesien war allerdings äußerst niedrig. Präsident Saied will seine Macht ausbauen und spricht von "echter Freiheit, Gerechtigkeit und nationaler Würde“.

Der tunesische Präsident Kais Saied hat nur wenig Rückhalt für seine umstrittene neue Verfassung. Knapp 28 Prozent der neun Millionen Stimmbürger beteiligten sich am Montag an einer Volksabstimmung über das Grundgesetz, teilte die Obere unabhängige Wahlbehörde in der Nacht auf Dienstag mit. Die Opposition hatte zu einem Boykott des Votums aufgerufen, mit dem sich der Präsident mehr Macht auf Kosten von Parlament und Justiz verschaffen will.

Die Stimmlokale schlossen um 22.00 Uhr MESZ. Mit ersten Ergebnissen wird im Verlauf des Dienstags gerechnet. Ersten Umfragen zufolge hat eine überwiegende Mehrheit dem umstrittenen Verfassungsentwurf zugestimmt.

Vor einem Wahllokal im Norden der Hauptstadt Tunis sagte eine Frau, sie befürchte die Rückkehr zur Diktatur: "Ich werde Nein zu Saieds Verfassung sagen." Ein anderer Wähler sagte der Deutschen Presse-Agentur, die neue Verfassung sei der einzige Weg, um die Krise im Land zu beenden.

Warnung vor Rückfall in Diktatur

Saied selbst gab seine Stimme in Begleitung seiner Frau im bürgerlichen Viertel Cité Ennasr in einer Vorstadt von Tunis ab. Er rief die Bürger dabei zur Teilnahme an dem Referendum auf. Sie sollten so eine "neue Republik" schaffen, die "auf echter Freiheit, Gerechtigkeit und nationaler Würde" gründe.

Tunesien war nach den Aufständen des "Arabischen Frühlings" ab 2010 als einziges Land der Wandel zur Demokratie gelungen. Kritiker werfen Saied vor, das nordafrikanische Land nun wieder in eine Diktatur zurückführen zu wollen. Die Opposition betrachtet den gesamten Verfassungsänderungsprozess als illegitim.

Genau vor einem Jahr - am 25. Juli 2021 - hatte der frühere Jurist Saied seine Macht gefestigt. Er setzte den damaligen Regierungschef ab und fror zunächst die Arbeit des Parlaments ein. Später löste er es ganz auf. Der Präsident entließ außerdem dutzende Richter aufgrund mutmaßlicher Korruption.

Der Verfassungsentwurf sieht vor, dass der Präsident unter anderem die Regierung sowie Richter ernennen und entlassen darf. Bisher setzte Saied viele solcher Entscheidungen per Dekret durch. Er betrachtet die bisherige Verfassung des Landes als nicht mehr gültig.

(APA/dpa/Reuters)

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