„Chats don't lie“, sagte die Staatsanwaltschaft. Einladungen unter Freunden sind erlaubt, konterte die Verteidigung. Richterin Zink entschied „im Zweifel“ für Ex-FPÖ-Chef Strache und den Unternehmer Stieglitz - mit je einem Freispruch.
Am siebenten Tag im Bestechlichkeits- und Bestechungsprozess gegen Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und den mit ihm befreundeten Immobilienunternehmer Siegfried Stieglitz ist das nicht rechtskräftige Urteil gefallen: Richterin Mona Zink spricht beide „gänzlich frei“.
Ihre Begründung: Ja, der Immobilienunternehmer habe „keine Gelegenheit ausgelassen, für sich selbst Werbung zu machen“. Und ja, er habe einen Aufsichtsratsposten angestrebt. Außerdem: Ja, seitens Strache wurde dahingehend interveniert. Aber: Wusste Strache, dass Stieglitz eine Spende von insgesamt 10.000 Euro an den FPÖ-nahen Verein „Austria in Motion“ getätigt habe? „Im Zweifel nicht“, so die Richterin. Auch habe kein Zeuge eine Wahrnehmung geäußert, wonach diese Spende in direktem Zusammenhang mit Stieglitz‘ Berufung in den Asfinag-Aufsichtsrat stünde. Insofern: Ein Konnex zum Amtsgeschäft? „Im Zweifel nicht.“ Gleiches gelte in puncto Einladungspolitik: Stieglitz habe Strache in den Wiener Palazzo-Palast eingeladen wie auch auf eine Reise nach Dubai: „Im Zweifel rein aufgrund des persönlichen Verhältnisses der beiden Angeklagten.“
Für Strache ist es nicht das erste Urteil. Am 27. August 2021 hörte er ein solches – ebenfalls im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichtes für Strafsachen und ebenfalls wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit, jedoch im Zusammenhang mit der Aufnahme der Privatklinik Währing in den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds „Prikraf“. Allerdings: Damals setzte es einen nicht rechtskräftigen Schuldspruch, konkret eine bedingte Freiheitsstrafe von 15 Monaten. Während Strache damals „volle Berufung“ ankündigte, zeigte er sich heute, Freitag, „dankbar und erleichtert“ dafür, dass „die falschen Vorwürfe entkräftet“ wurden. Ob er damit gerechnet habe? „Ich habe mit gar nichts gerechnet, das habe ich gelernt.“
Zwischen Freundschaft und Zweckgemeinschaft
Vor der Urteilsverkündung hielten Verteidigung und Staatsanwaltschaft ihre Abschlussplädoyers. „Chats don’t lie“, betonte dabei Oberstaatsanwalt Bernhard Weratschnig und meinte, dass aus den von und an Strache verschickten Nachrichten klar hervorgehe, dass sich dieser als Amtsträger in die Vergabe von Aufsichtsratsposten eingemischt habe – obwohl nicht er, sondern der damalige Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) dafür zuständig war. „Wenn man Kapitän eines Schiffes ist, sieht man es nicht gerne, wenn die einzelnen Bauteile selbstständig agieren“, illustrierte er diese Sichtweise, um dann deutlicher zu werden: Stieglitz habe Strache in den Wiener Palazzo-Palast sowie auf eine Reise nach Dubai eingeladen, nicht, weil man befreundet war, sondern weil man eine „Zweckgemeinschaft“ unterhielt.
Zudem habe Stieglitz an den FPÖ-nahen Verein „Austria in Motion“ mehrfach gespendet – insgesamt 20.000 Euro, wobei nur 10.000 Euro angeklagt wurden. Jene nämlich, die (gestückelt und von verschiedenen Konten kommend) im Jahr 2018 am Vereinskonto gelandet sind – nachdem Stieglitz im März desselben Jahres zum Asfinag-Aufsichtsrat aufstieg. Auf Hofers Betreiben und Straches unrechtmäßiges Intervenieren.
Die Verteidiger sahen die Lage freilich anders: „Ist es verboten, Freunde einzuladen?“, fragte Andreas Pollak, der Stieglitz vertritt. Und: Ist es verboten, einen Freund einzuladen, nur weil dieser Amtsträger sei? Auf beide Fragen gab er sich die Antwort selbst: Nein. Denn: „Compliance-Regelungen sind nicht Teil des StGB (Strafgesetzbuches, Anm.), sondern es sind interne Vorgaben.“ Sie seien dafür da, um unvorteilhafte Optiken zu vermeiden, daher hätten Hofer und auch Strache letztlich die Einladung zu Stieglitz‘ 50. Geburtstagsfeier in Dubai abgesagt. Aber: bestochen gefühlt hätte sich weder der eine noch der andere.
Ähnlich argumentierte Johann Pauer. Sein Mandant, Strache, sei sehr wohl mit Stieglitz befreundet gewesen – das zeige allein die Nachricht des Unternehmers an den gefallenen Politiker: „Ich hab dich lieb.“ Überdies, so der Verteidiger, habe Strache von Stieglitz' Spenden nichts gewusst und hätte – türkis-blaue Sideletter über Vorschlagsrechte hin oder her – gar nicht die Möglichkeit gehabt, diesen zum Aufsichtsrat zu küren. Denn: „Das ist das Schöne an unserer Verfassung“, die Zuständigkeiten klar regele, wäre das nicht so, „wäre unsere Verfassung hässlich“.
Wartezeit bis Montag
Auch die Strafprozessordnung sieht klare Regelungen vor. Sie lauten: Die Staatsanwaltschaft hat nun bis Montag Zeit, um eine Stellungnahme abzugeben. Bis dahin ist das Urteil nicht rechtskräftig.
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