Eröffnung in Salzburg

Salzburger Festredner sieht "Krieg gegen die Natur"

Heftige Kritik am Solway-Konzern und am Dirigenten Valery Gergiev: Schriftsteller Ilija Trojanow wandte sich bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele gegen die „systematische Gier unserer Zeit und setzt auf die „Vieltönigkeit der Kunst“.

„Was in Guatemala passiert, ist permanenter Krieg – gegen unsere Mitmenschen, gegen die Natur.“ Mit starken Worten malte Ilija Trojanow die Produktionsweise des Schweizer Bergbaukonzerns Solway, der ab 2017 die Salzburger Festspiele gesponsert hatte. Im März 2022 haben sie sich von ihm getrennt, nach Prüfung der Vorwürfe des Investigativjournalismus-Netzwerk „Forbidden Stories“.

Festredner Trojanow rechtfertigte das im Nachhinein: „Nur wer glaubt, es wäre akzeptabel, die Sparkasse zu überfallen, um ,Fidelio‘ auf die Bühne zu bringen, kann so tun, als wäre Sponsoring wertneutral.“ Die Kunst dürfe sich nicht „von mafiös organisierten Konzernen oder von Firmen finanzieren lassen, die brutale Ausbeutung betreiben.“ Das „Ausbuddeln von Bodenschätzen“ sei ein „heißer Krieg“, angetrieben von der „systematischen Gier unserer Zeit“.

Ähnlich scharf griff Trojanow einen namhaften russischen Künstler an, der 2019 das letzte Mal bei den Festspielen dirigiert hat: Valery Gergiev, „ein Meister am Pult, ein Virtuose der Macht“, so Trojanow. In seiner kunstvoll konstruierten, teils mit Zahlenmystik spielenden Rede brachte er die von Gergiev dirigierte Premiere von „Pique Dame“ an der Mailänder Scala am 23. Februar 2022 in Zusammenhang mit den ersten russischen Raketenangriffen auf die Ukraine am selben Tag. Und mit den ersten Aufführungen von „Pique Dame“: in St. Petersburg am 19. 12., in Kiew am 31. 12. 1890. Dazwischen liegen elf Tage, meinte Trojanow – und elf sei die Summe aus den drei Glückskarten in Tschaikowskys Oper, Sieben, Drei und Ass. „Das Verhältnis von Kunst und Macht, es ist komplex.“

Gergiev als „Großgrundgewinnler"

Gergiev nannte Trojanow unter anderem einen „Großgrundgewinnler“, der Dutzende Immobilien besitze, der sich aus seinem eigenen Wohltätigkeitsfonds „nach Belieben bedient, gefördert von den mafiösen Banken seines Landes“. Wenn wir Gergievs Interpretation des „Sacre du printemps“ heute hören, meinte Trojanow, dann hören wir „nicht Strawinsky, sondern eher Kurt Weill, ,Die sieben Todsünden‘, vor allem eine, die Habsucht.“

Gergiev wurde ob seiner Nähe zu Putin von etlichen Institutionen ausgeladen und auch als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker abgesetzt. Das kritisierte der Salzburger Festspielintendant Markus Hinterhäuser im März als „scheinheilig“. In Salzburg ist Gergiev heuer allerdings nicht aktiv. Im Gegensatz zu seinem Kollegen Teodor Currentzis, dem ebenfalls vielfach vorgeworfen wird, dass er zu keiner klaren Distanzierung von Putin bereit war. Er hat heuer bei den Festspielen schon die 13. Symphonie von Schostakowitsch dirigiert („Currentzis desavouiert die Musik nicht“, schrieb die „Presse“), und er leitete am Dienstagabend die erste große Premiere, eine Kombination von Bartóks Oper „Herzog Blaubarts Burg“ und Orffs Oratorienoper „De temporum fine comoedia“. Currentzis kam nicht vor in der Rede Trojanows. Sie mündete in einer Beschwörung „martialischer Gebrauchsmusik“ – kontrastiert von einem Konzerterlebnis Trojanows: ein Marsch von Helmut Lachenmann. „Was handkantenbügelfaltensteif begann, löste sich zunehmend auf, die sturen Takte desertierten, die Befehlshoheit der stiernackigen Rhythmen wurde zerlegt.“ Was den Redner zu seinem abschließenden Aufruf leitete: „Desertieren wir also aus der Eintönigkeit des Krieges in die Vieltönigkeit der Kunst!“

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