Energieminister

EU-Plan fürs Einsparen von Gas reicht nicht für kalten Winter

Extraordinary meeting of European Union energy ministers in Brussels
Extraordinary meeting of European Union energy ministers in Brussels(c) REUTERS (JOHANNA GERON)
  • Drucken

Staaten haben sich so viele Ausnahmen ausbedungen, dass bei extremer Kälte Gasmangel droht.

Die Energieminister der EU-Staaten haben sich am Dienstag auf einen großteils freiwilligen Plan zum Einsparen von Gas geeinigt, der aufgrund zahlreicher Ausnahmen Europa nicht für einen Winter rüstet, der länger als gewöhnlich dauert oder besonders harte Frostperioden bringt. „Selbst wenn alle Ausnahmen voll ausgeschöpft werden, werden wir Einsparungen erreichen, die uns durch einen normalen Winter bringen“, sagte die EU-Kommissarin für Energie, Kadri Simson, nach der Einigung der 27 Minister.

Sie fügte hinzu, dass in diesem genannten Fall rund 30 Milliarden Kubikmeter Gas in der Periode August 2022 bis März 2023 eingespart würden. Allerdings sagte sie auch, dass ein „langer Winter mit extremen Frostperioden“ Einsparungen von 45 Milliarden Kubikmetern Gas erfordern würde, um den drohenden Ausfall der russischen Gaslieferungen zu kompensieren. Und dieser Ausfall sei zu erwarten, warnte sie: „Die Lieferungen können jederzeit stoppen. Wir sind uns einig, dass wir uns auf das Schlimmste vorbereiten müssen.“

Sparziel um ein Drittel gesenkt

Die Europäische Kommission hatte ihren Vorschlag für diesen Plan vorige Woche genau auf dieses Szenario gegründet. „Der Speicherstand würde Ende März 2023 auf dem Mindestniveau von 15 Prozent bleiben, und die Nachfragelücke während des Winters würde 45 Milliarden Kubikmetern entsprechen“, heißt es in der Mitteilung, die sie am Mittwoch gemeinsam mit ihrem Verordnungsentwurf vorgelegt hatte. Deshalb hatte sie „alle Mitgliedstaaten ersucht, ihre größten Bemühungen anzustrengen, um weiterhin in Alternativen zu russischem Gas zu investieren und ein unverbindliches Reduktionsziel von 15 Prozent ihres Verbrauchs für zumindest die nächsten acht Monate zu erreichen, verglichen mit dem durchschnittlichen Bedarf der vergangenen fünf Jahre (2016 bis 2021).“

Das, so die Schlussfolgerung, „würde europaweite Einsparungen von 45 Milliarden Kubikmetern während dieses Zeitraums ermöglichen“.
Doch von europaweiten Einsparungen ist keine Rede mehr, da die Diplomaten der Mitgliedstaaten den Vorschlag der Kommission bis zur Unkenntlichkeit zerfleischt und sich allerlei Extrawürste ausbedungen haben. Vom einheitlichen 15-Prozent-Sparziel ist nichts mehr übrig.

Denn erstens werden die Inselstaaten Irland, Malta, Zypern ausgenommen.

Zweitens die drei baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen, deren Elektrizitätsnetze mit dem Russlands verbunden sind, was bedeutet, dass sie im Fall eines zu erwartenden russischen Energieboykotts gegen sie alles verfügbare Gas benötigen, um weiterhin Strom zu gewinnen.

Drittens können sich jene Länder, deren Gasspeicher per 1. August zu mehr als 80 Prozent gefüllt sind, alle zusätzlichen Gasmengen, die sie fürs Einspeichern nutzen, auf das Sparziel anrechnen.

Viertens werden kritische Industrien völlig vom Sparen ausgenommen; welche das sind, darf jeder Staat selbst definieren.

Fünftens gibt es eine Ausnahme für Staaten, deren Gasnetze nicht ausreichend an die europäischen Röhrensysteme angebunden sind, um „bedeutsame Mengen“ liefern zu können: das ist ein Zugeständnis an Spanien und Portugal.

Sechstens sollen Staaten vom Sparen befreit werden, wenn „außergewöhnliche Umstände“ für ein Problem bei der Stromgewinnung in Gaskraftwerken sorgen.

All das soll auf unbestimmte Zeit auf rein freiwilliger Basis laufen. Nur im Fall, dass mindestens fünf Mitgliedstaaten einen Gasnotstand ausrufen, sollen die Minister mit qualifizierter Mehrheit (15 von 27 Staaten, die gemeinsam mindestens 65 Prozent der Unionsbevölkerung repräsentieren) eine Sparpflicht einführen. Und was, wenn sich ein Staat dem widersetzt und aufs Sparen verzichtet, wie Ungarn das am Dienstag mit seiner einzigen Gegenstimme im Rat und in Äußerungen von Ministerpräsident Viktor Orbán und Außenminister Péter Szijjártó sofort klargemacht hat? „Über Sanktionen haben die Minister heute nicht gesprochen“, antwortete Tschechiens Energieminister, Jozef Síkela, auf diese Frage der „Presse“.

Rechnungshof zerfetzt EU-Pläne

Der Vorschlag der Kommission, mittels eines Maßnahmenpakets namens „Repower EU“ mittelfristig die Abhängigkeit von Russland zu senken, erfuhr ebenfalls am Dienstag scharfe Kritik des Europäischen Rechnungshofes. Er sei „in der Praxis schwer umzusetzen“, weise „eine Reihe von Unstimmigkeiten“ auf und sei nach derzeitigem Stand nicht ausreichend finanziert.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.