Quergeschrieben

Warum regen Debatten um Umbenennungen so auf?

Eine Petition will das James-Webb-Weltraumteleskop umbenennen. Die Fronten in der Diskussion sind bekannt, es geht aber auch um zwei grundsätzliche Fragen.

Der gebirgsförmige Sternenstaub des Carinanebels vor einem glitzernden Himmel, die fernen Galaxien, der bunte südliche Ringnebel. Zwei Wochen ist es her, dass uns die Bilder begeisterten, die das James-Webb-Weltraumteleskop zur Erde sandte. Nun hat das 8,8 Mrd. Euro teure Teleskop, das von der US-amerikanischen, der kanadischen und der europäischen Raumfahrtbehörde gemeinsam betrieben wird, seine wissenschaftliche Arbeit aufgenommen; die erste Aufregung ist vorbei. Fast.

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Denn seit Wochen läuft eine Petition, die eine Umbenennung des Teleskops fordert. James Webb war von 1961 bis 1968 Direktor der US-Raumfahrtbehörde Nasa. Einige historische Quellen deuten darauf hin, dass er während der McCarthy-Ära, als homosexuelle Behördenmitarbeiter verfolgt wurden, an deren Auslieferung beteiligt war, oder sich, anders als andere Behörden, nicht aktiv dagegenstellte.

Einmal mehr die Debatte um Namen. Die Fronten sind bekannt. Die einen argumentieren, es sei nicht fair, historische Personen mit heutigen Maßstäben zu bewerten. Der Umgang mit sexueller Orientierung war in den 1960ern ein anderer als heute. So etwas entschuldigt keine Diskriminierung, setzt sie aber in Perspektive. Dem halten andere entgegen, dass es heutzutage doch möglich sein muss, zumindest bei neuen Benennungen darauf zu achten, dass die Person nicht eine fragwürdige Vergangenheit hat. Der Name für das Teleskop wurde 2002 ausgewählt.

Bei Umbenennungen etablierter Dinge, etwa Straßennamen, wird zudem oft das Argument angeführt, dass man sich auch verpönten Teilen der Geschichte stellen muss, sie nicht löschen, sondern diskutieren soll. Aber wie? Sind Zusatztafeln und Umgestaltungen genug, um historisches Wissen zu vermitteln? Und ist die Benennung nicht immer ein Zeichen der Ehrerbietung, die man diesen Menschen trotzdem zuteilwerden lässt?
Einige grundsätzliche Fragen bleiben offen. Erstens: Warum die Aufregung? Wieso sind uns Namen so wichtig? Weil sie sehr mächtig sind.

Der Name macht aus einem „Irgendjemand“ einen „Jemand“, formulierte es der Anthropologe Clifford Geertz. Der Name verbindet das Individuum mit der sozialen Umgebung. Regierungen verlangen, dass Neugeborene Namen haben, legen fest, welche erlaubt sind und welche nicht. Sie zwingen bisweilen Namen auf, sei es um eine Identität zu verdrängen (etwa ethnische Türken, die im kommunistischen Bulgarien slawische Nachnamen annehmen mussten) oder um jemanden zu markieren (z. B. vom NS-Regime verordnete Zweitnamen für Jüdinnen und Juden).

Studien belegen, dass wir auf Personen und Dinge, deren Namen unserem ähneln, positiver reagieren, dass wir vom Namen eines Menschen auf dessen Charakter schließen. Wer seinen Namen nicht mag, ist im Leben unzufriedener. Ein Name mag willkürlich sein, entwickelt aber einen Wert. Dem Teleskop ist die Umbenennung wohl egal, aber uns Menschen scheint sie brutal.

Was uns zur zweiten Frage bringt: Wenn Namen so wichtig, so kontroversiell sind, warum tun wir uns das an? Warum benennen wir Dinge nach Menschen, und nehmen uns kein Vorbild an jenem 2017 in Betrieb genommenen britischen U-Boot, das nach einer Onlineabstimmung Boaty McBoatface heißt? Oder an der amerikanischen ornithologischen Gesellschaft, die Vorschläge für die Umbenennung von Vogelarten sammelt, die nach Menschen benannt wurden, die von Sklaverei oder Krieg profitierten? Ein Komitee entwickelt Richtlinien, nach welchen Kriterien Namen ersetzt werden sollen – und womit. Bevorzugt werden vergessene oder beschreibende Bezeichnungen.

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