Filmkritik

"Der perfekte Chef": Javier Bardem als perfider Biedermann

Javier Bardem in "Der perfekte Chef".
Javier Bardem in "Der perfekte Chef".(c) Alamode
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Javier Bardem spielt wieder einmal die Hauptrolle in einem spanischen Film. Leider kann sich die Satire „Der perfekte Chef“ nicht zwischen nüchtern und lustig entscheiden.

Spätestens seit seinem Oscar-gekrönten Auftritt als psychopathischer Killer in „No Country for Old Men“ (2008) ist Javier Bardem nicht nur in seinem Heimatland Spanien, sondern auch in Hollywood ein Superstar. Zuletzt war er als mürrischer Wüsten-Berber im Sci-Fi-Hit „Dune“ zu sehen, er spielte dazwischen aber auch außerhalb der USA beachtliche Hauptrollen – etwa den kleinkriminellen Barceloner in „Biutiful“ (2010) oder den kolumbianischen Drogenbaron Pablo Escobar in „Loving Pablo“ (2017). Für den Regisseur des letztgenannten Films, Fernando León de Aranoa, hat er nun wieder an einer nicht-amerikanischen Produktion mitgewirkt: In der Satire „Der perfekte Chef“ verkörpert Bardem einen scheinheiligen Firmenboss aus der spanischen Provinz. Dieser erinnert an ungute Vorgesetzte aus Serien wie „The Office“ oder „Stromberg“ – doch die Abscheu, die er hervorruft, wirkt eher unterschwellig.

Anders als seine grobschlächtigen Comedy-Pendants in jüngeren Bürohorror-Seifenopern ist Julio Blanco, der Betreiber einer Fabrik zur Herstellung von Industriewaagen, weniger peinlich und schrullig. Eigentlich verfehlt Bardem die Anforderungen der Rolle durch sein angeborenes Charisma automatisch: Ein galanter Hüne wie er taugt nur begrenzt zur Karikatur eines unangenehmen Arbeitgebers. Aranoa scheint das zu wissen, er stellt die Figur nie offensiv bloß. Worunter allerdings der Humor leidet: Wie Bardems Performance schwankt dieser unentschlossen zwischen halbherziger Überzeichnung und zahnlosem Understatement.

Dabei lernt man Blanco zunächst als vorbildlichen Chef kennen, der seinen Untergebenen Beistand in jeder Notlage verspricht. Praktikantinnen himmeln ihn an. Einem loyalen Mitarbeiter – genauer: dessen gewalttätigem Sohn – hilft er über Kontakte aus der Patsche, einen Angestellten, der unter einer Ehekrise leidet, lädt er jovial zum Essen ein. Dass sich hinter der Fassade des Wohltäters ein auf Macht und Beliebtheit fixierter Narzisst verbirgt, offenbart sich dennoch ohne jeden Überraschungseffekt.

Der Ordnungswahn des Waagenfabrikanten

Als die Wahrheit sich deutlich abzeichnet, hat ein paternalistischer Monolog Blancos vor Mitarbeitern, in dem er sich selbst als Vater und seine Belegschaft als Kinder beschrieb, bereits genug Verdacht erregt. Sein verwerflicher Seitensprung mit einer deutlich jüngeren Kollegin aus der unteren Hierarchie lässt sich leicht vorhersehen, die egoistischen Absichten hinter seiner Fürsorge sind rasch durchschaut. Manchmal hat man das Gefühl, dass Bardem gerne dicker auftragen würde. Doch der behutsame Tonfall der Inszenierung lässt ihn nicht: Ab dem Punkt, wo seine Identität als falscher Philanthrop aufgeflogen ist, hätte man satirisch in die Vollen gehen können, aber die Stimmung bleibt seltsam reserviert. Wie hätte eine solche Komödie wohl unter der Regie der Coen-Brüder ausgesehen, die immerhin den internationalen Ruhm des Hauptdarstellers begründeten? Sie wäre wohl treffender in ihrer Kritik an der Absurdität des modernen Arbeitslebens gewesen, weil sie sich gröbere Verrücktheiten erlaubt hätte.

Oder aber das mit sechs Goyas – dem wichtigsten Filmpreis in Spanien – prämierte Werk will ein nüchternes Sittenbild sein? Dann ist die Hoffnung auf Albernheiten und ironische Reflexion nur eine falsche Erwartung. Doch dafür ist der Film wiederum zu sehr Farce, Manches darin regt doch zum Schmunzeln an. Etwa, dass der Waagenhersteller das Gleichgewicht physikalischer Kräfte zu seiner Lebensphilosophie erhebt, dabei aber unentwegt auf Widerstände trifft. Draußen demonstriert ein entlassener Arbeiter, drinnen hält ein depressiver Abteilungsleiter den Betrieb auf: Das Gefälle zwischen dem Ordnungswahn des mediterranen Biedermanns und der chaotischen Realität könnte nicht größer sein, wird von dem Kontrollfreak jedoch (widersinnig) ausgeblendet. Zumindest hierin spiegelt der Film die Kleinlichkeit und Ignoranz vieler wirklicher Vorgesetzter peinlich genau wider.

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