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Neue Antisemitismus-Vorwürfe: Politik will alle documenta-Werke sichten

Zerfetzt durch Antisemitismus-Kritik: So wie diese durch ein Gewitter zerstörten Figuren des Künstlerkollektivs Taring Badi droht es nun der ganzen Weltkunstschau in Kassel zu ergehen.
Zerfetzt durch Antisemitismus-Kritik: So wie diese durch ein Gewitter zerstörten Figuren des Künstlerkollektivs Taring Badi droht es nun der ganzen Weltkunstschau in Kassel zu ergehen.(c) IMAGO/Hartenfelser (IMAGO/Peter Hartenfelser)
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Eine in Kassel ausgestellte Broschüre zeigt brutale Soldaten mit Davidstern und Hakennase.

Fast 35 Jahre alt ist die algerische Broschüre, die bei der Weltkunstschau Documenta in Kassel im Museum Fridericianum ausgestellt wurde. Zeichnungen des syrischen Künstlers Burhan Karkoutly sind darin zu sehen. Sie zeigen unter anderem Soldaten mit Davidstern auf dem Helm, die Kinder bedrohen. Auf einem Bild tritt eine Frau einem hakennasigen Soldaten mit Davidstern in den Unterleib. Entstanden ist die Broschüre 1988 in Algier, es handelt sich um ein Sonderheft zu Palästina, wo damals die erste Intifada begonnen hatte. In Kassel wird die Broschüre als ein Dokument zum „Kampf der Frauen in Algerien“ präsentiert.

Dieser Fund, von einem Besucher gemacht und gemeldet, hat die Diskussion über antisemitische Darstellungen auf der Documenta Fifteen, über deren indonesisches Kuratorenkollektiv Ruangrupa und die Verantwortung der Documenta-Leitung weiter angeheizt. Bereits zu Beginn der Ausstellung war nach heftiger Kritik ein großformatiges Bild mit antisemitischer Bildsprache entfernt worden. Documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann hatte ihr Amt niedergelegt, seitdem ist der Kulturmanager Alexander Farenholtz interimistischer Leiter.

Politiker fordern nun die Begutachtung aller bei der Weltkunstschau in Kassel ausgestellten Werke. Die Documenta-Leitung lehnt eine solche ab. Das historische Archivmaterial sei vor rund drei Wochen vorübergehend aus der Ausstellung genommen worden, um es eingehender zu betrachten. Man habe zwar eine klare Bezugnahme auf den israelisch-palästinensischen Konflikt gefunden, aber keine Bebilderung von Juden „als solchen“, und das Werk sei als strafrechtlich nicht relevant eingestuft worden. Die Broschüre will man nun „kontextualisieren“.

Gesellschafter für externe Bewertung

Doch auch die Gesellschafter von Documenta und Museum Fridericianum meldeten sich am Donnerstag zu Wort: Sie hätten am Dienstagabend über die sozialen Netzwerke erfahren, dass „ein weiterer problematischer Gegenstand“ aufgetaucht sei. Die „umgehende rechtliche Bewertung der Zeichnungen durch Externe“ vonseiten der Documenta-Leitung sei zwar „ein richtiger Schritt“ gewesen. Doch sie kritisieren, dass „die Frage, ob hier antisemitische Bildsprache vorliegt, lediglich intern bewertet“ wurde. „Fassungslos“ zeigt sich der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel: Er sei, obwohl damals Berater der Documenta, nicht über die betreffenden Werke informiert und in die Entscheidung, ob sie in der Ausstellung zu belassen seien, nicht eingebunden worden.

(sim)

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