LGBTIQ+-Inklusion

„Die Politik könnte alles verändern“

Die Unis zeigen bei der Regenbogenparade Flagge – traditionelle Normvorstellungen über Geschlecht und Sexualität sind aber auch an Hochschulen noch präsent.
Die Unis zeigen bei der Regenbogenparade Flagge – traditionelle Normvorstellungen über Geschlecht und Sexualität sind aber auch an Hochschulen noch präsent.[ T. Haller]
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An heimischen Hochschulen gibt es Netzwerke und Vereinigungen, die queere Themen behandeln. Aber es gibt noch Luft nach oben.

Im Juni wurde anlässlich der Pride Parade an vielen heimischen Unis stolz die Regenbogenflagge gehisst. Doch inwiefern spiegelt das Universitätsleben ganzjährig Inklusivität für queere Menschen wider? Der „Proud LGBTIQ+ Campus Index 2021“ der Uhlala Group, zu dem 561 Hochschulen aus der D-A-CH-Region eingeladen wurden, gibt wenig Auskunft: Nur vier österreichische Hochschulen nahmen daran teil. Heimischer Spitzenreiter ist mit 60,5 von 100 Punkten die Katholische Privatuniversität Linz. Sie ist eine von 14 Universitäten in der D-A-CH-Region mit über 60 Punkten und fördert in besonderem Maße LGBTIQ+ inklusive und wertschätzende Campuskultur. In der Kategorie Diskriminierungsschutz erhielt sie 94,3 Punkte, weit über den durchschnittlichen 62,2.

Sahra Black, Queer-Referentin der ÖH, ist von der geringen Teilnahme nicht überrascht. Es gebe Personen im Universitätssystem, die nicht wollen, dass ihre Hochschule gerankt wird, sagt sie. Michael Rosenberger, Vorsitzender des Arbeitskreises Gleichbehandlung an der KU Linz, sieht ein weiteres Problem: Das Ausfüllen des Fragebogens war für drei Stunden angesetzt, er brauchte vier. „Ich kann mir vorstellen, dass viele Universitäten da schlucken und lieber abwarten.“ Solche Rankings hätten eine gewisse Warmlaufzeit.

Tobias Wagner-Fraißler ist Obmensch des Netzwerks queer@hochschulen, zu dessen Mitgliedern das Queer-Referat der ÖH zählt. Außer der gemeinsamen Teilnahme an der Regenbogenparade macht es sich der Verein zur Aufgabe, Universitäten, Studenten und ÖH zu vernetzen und zu unterstützen. Dazu gehört die Mithilfe bei Veranstaltungen, etwa ein Workshop zu Intergeschlechtlichkeit, der von der Regenbogengruppe der Med-Uni Wien und des AKH organisiert wurde. „Dort hat etwa eine Urologin erklärt, unter welchen Umständen sie operieren würde und unter welchen nicht.“ Der Verein arbeitet ehrenamtlich, Hochschulen spenden zwischen 250 und 2500 Euro. Das Geld wird vor allem für Werbematerial, Infoveranstaltungen und die Regenbogenparade verwendet. „Uns würden viel mehr Projekte einfallen, aber es fehlen die helfenden Hände.“ Auch das Halten der Mitglieder sei herausfordernd, wenn etwa Studierende die Universität verlassen oder ÖH-Mitarbeitende wechseln. Queere Thematiken, die aufgegriffen werden sollten, gebe es viele, sagt Black. Etwa Allyship-Programme (Allianzen mit Partnern außerhalb der LGTBIQ+-Community) nach dem Vorbild von US-Universitäten.

Thema noch stigmatisiert

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Doch die Queer-Thematik sei in Österreich sehr stigmatisiert: „Viele haben Angst, sich mit dem Label in Verbindung zu bringen. Das allein ist eine Thematik“, sagt Black. Österreichs Hochschulen brauchten mehr Diskriminierungsschutz und mehr, breiter beworbene Anlaufstellen. Trans, Inter und nicht binäre Personen kämen mehr in den Fokus, Unis müssten jetzt handeln. Ein großes Projekt des Queer-Referats: selbst gewählte Namen in Universitätssystemen. Wenn Trans, Inter oder nicht binäre Personen (noch) keine offizielle Namensänderung haben, müssen sie auf den meisten Unis ihren juristischen Namen verwenden. Ein zentralisiertes Universitätssystem wäre die Lösung, aber ohne entsprechende Gesetzgebung nur sehr langsam durchzusetzen. „Die Politik könnte alles verändern“, sagt Black.

In der Zwischenzeit sind queere Gruppen an Unis auf Erfahrungsaustausch und Sichtbarkeit bedacht, wie qir@wu der WU Wien (Mitglied bei queer@hochschulen). „Die Initiative soll die Vielfalt an Lebensweisen, Geschlechteridentitäten und sexuellen Orientierungen an der WU sichtbar machen. Dort, wo es noch Handlungsbedarf gibt, setzt sie sich für eine offenere, wertschätzende und diskriminierungsfreie Organisationskultur ein“, sagt Sonja Lydtin, Leiterin der Stabstelle Gender & Diversity Policy an der WU. Zwar hätten solche Initiativen zur Vielfalt und Inklusion beigetragen, „dass auch an Hochschulen nach wie vor traditionelle Normvorstellungen über Geschlecht und Sexualität wirksam sind, kann nicht bestritten werden“, räumt sie aber ein.

Wagner-Fraißler wünscht sich an jeder Hochschule eine gelebte Atmosphäre der Akzeptanz und Offenheit, und „dass auch immer wieder gesagt wird, es gibt Menschen mit anderen Geschlechtsidentitäten und sexuellen Orientierungen“. Das Thema solle stärker in die Mitte der Gesellschaft rücken.LGBTIQ+ steht für Lesbian, Gay, Transgender/Transsexuell, Intersexuell und Queer, das „+“ soll weitere, nicht explizit genannte Gruppen einschließen.

Queer, ursprünglich abwertend im Sinne von „sonderbar“, ist heute eine positiv konnotierte Sammelbezeichnung für Menschen mit von der hetero-zweigeschlechtlichen Norm abweichenden Geschlechteridentität oder -ausrichtung.

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