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Kommentar

Suizid von Lisa-Maria Kellermayr juristisch kein Fremdverschulden, aber...

Der Schock über den Suizid von Lisa-Maria Kellermayr sitzt tief. Juristisch gesehen wird Fremdverschulden ausgeschlossen, moralisch ist es unübersehbar.

Lisa-Maria Kellermayr ist tot. Seit November des Vorjahres wurde sie von Impfgegnern und Coronaleugnern in die Enge getrieben, erhielt Todesdrohungen, wurde in ihrer Praxis belästigt. Ständig lebte sie mit der Angst, dass der ihr unbekannte Mensch, dieser vermeintliche neue Patient, der in ihrem Ordinationszimmer vor ihr sitzt, nun doch der sein könnte, der die Drohungen in die Tat umsetzt. Von der Polizei fühlte sie sich im Stich gelassen, ebenso von der Ärztekammer und der Politik. Am Freitagmorgen wurde sie in ihrer Praxis tot aufgefunden. Die Staatsanwaltschaft Wels schließt Fremdverschulden aus. Ein juristischer Begriff, der in diesem Fall zynisch nachhallt.

Wäre der Täter in Österreich, drohten ihm für diese E-Mails mehrere Jahre Freiheitsstrafe. Da er aber offenbar in Deutschland ist, kann er unbehelligt weiter sein Unwesen treiben. Dieser Fall zeigt einmal mehr, dass das Hass-im-Netz-Gesetz nicht weit genug greift und Opfer rat- und hilflos zurücklässt.

Die Schockwelle, die der Suizid von Lisa-Maria Kellermayr durch die Politik, die Gesellschaft jagt, darf nicht verhallen und muss genutzt werden. Für eine Neuaufstellung bei der Ermittlungsarbeit im digitalen Umfeld, damit das "Darknet" nicht mehr als Grund genannt werden kann, um die Tätersuche einzustellen. Die Politik muss erkennen, dass länderübergreifende Ermittlungen in Zeiten von Social-Media und Online-Plattformen mehr vernetzt werden müssen. Je vernetzter eine Gesellschaft, umso vernetzter auch die Behörden. Und die entscheidenden Stellen müssen einsehen, dass Hasskommentare, -Mails sowie Bedrohungen im Internet sehr wohl Auswirkungen in der realen Welt haben.

Aber vor allem die Landespolizeidirektion Oberösterreich muss diesen Fall dringlich aufarbeiten. Wohl auch der hiesige Landtag sollte sich damit auseinandersetzen. Denn sieben Monate lang wurde jeglicher Hilferuf der Ärztin abgetan, im Ö1-Mittagsjournal wurde ihr Anfang Juli noch indirekt ausgerichtet, sie dränge in die Öffentlichkeit, versuche ihr persönliches Fortkommen zu fördern. Hier steht in den kommenden Wochen viel Arbeit bevor. Die nicht nur darin bestehen darf, öffentlichkeitswirksam Reue zu zeigen, sondern vielmehr darin, effektive Schritte zu setzen, um zu verhindern, dass sich so etwas wiederholt.

Den Behörden die alleinige Schuld am tragischen Schicksal der Ärztin zu überantworten, wäre zu simpel und auch falsch. Ihr Tod darf aber nicht zu einem Beispiel dafür werden, dass man als Opfer in Österreich allein gelassen wird. Doch das kann nur mit Aufklärung und kritischer Selbstreflexion in den entsprechenden Stellen geschehen.

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