ÖVP schießt sich auf Unterrichtsministerin ein: Sie habe die wichtigsten Vorhaben aus dem Regierungsprogramm noch nicht umgesetzt – Claudia Schmied wehrt ab.
Wien. ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger fand nach dem PISA-Debakel deutliche Worte: Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) sei bei den Meilensteinen einer Bildungsreform säumig. So würden die Verhandlungen über ein einheitliches Lehrerdienstrecht ebenso stocken wie jene über eine bessere pädagogische Ausbildung.
Und Schmieds Bemühen um eine gemeinsame Schule bis 14? „Die Gesamtschule in Österreich ist gescheitert“, sagt Kaltenegger der „Presse“ – und bezieht sich auf die Volksschule: Der jüngste PISA-Test habe gezeigt, dass die Volksschule die große Problemstelle für die spätere Lesekompetenz der heimischen Schüler ist.
Auch der zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer (ÖVP) betont gegenüber der „Presse“, dass nun die Zeit gekommen sei, die Vereinbarungen aus dem Regierungsprogramm auch umzusetzen. „Da ist Schmied gefordert, auch das Know-how der Lehrer zu nützen“, so Neugebauer. Weder habe Schmied die Schuleingangsphase an der offensichtlich kritischen Stelle Volksschule evaluiert. Noch habe sie den Wildwuchs bei den Schulversuchen bekämpft.
Schmied setzt auf Lehrerbildung
„Stimmt nicht“, sagt Schmied im „Presse“-Interview zu Vorwürfen von ÖVP-Seite, sie gehe nicht entschlossen vor. „Es wird Zeit, dass sich die Parteisekretäre etwas zurücknehmen.“ Soeben erarbeite sie mit ÖVP-Wissenschaftsministerin Beatrix Karl eine „Lehrerbildung neu“. Mit Karl und mit dem ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon habe sie „ausgezeichnete Gesprächspartner.“ Da lasse sie sich nicht von der Parteizentrale aus dem Takt bringen.
Mit Ministerin Karl will Schmied die Ausbildung der Pädagogen für alle Schultypen unter ein Dach bringen – unter anderem sollen die Volksschullehrer auf diesem Weg aufgewertet werden. Auch beim neuen Dienst- und Besoldungsrecht für Lehrer komme sie voran, meint Schmied: „Beim Fahrplan für ein neues Lehrerdienstrecht liegen wir gut.“ Die Vorbereitungen mit der Lehrergewerkschaft seien wie erwartet in der Vorwoche abgeschlossen worden, die eigentlichen Verhandlungen würden „planmäßig ab Jänner“ stattfinden.
Auseinander gehen die Einschätzungen der Koalitionspartner, wie viele Punkte aus dem Regierungsprogramm bisher das Etikett „erledigt“ verdienen. Schmied sagt: 20 von 46 – und verweist unter anderem auf die Bildungsstandards, die schriftliche Zentralmatura an AHS und BHS sowie die Modularisierung der Abendschulen. Teilweise erledigt seien acht Projekte, darunter der Ausbau der Tagesbetreuung, 15 Vorhaben seien „in Arbeit“. Drei Projekte würden bis zum Ende der Legislaturperiode 2013 nur „unter Budgetvorbehalt“ gelingen, sagt Schmied: bilinguale Schulformen, Ethikunterricht und eine Europäische Schule in Wien.
Die ÖVP zieht eine weniger gnädige Zwischenbilanz: Tatsächlich seien sogar noch 41 Punkte aus dem Regierungsprogramm offen, weil das Wenigste wirklich „erledigt“ und umgesetzt sei.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2010)