Rallye-WM

Kalle Rovanperä: Dieser Finne fliegt wirklich

Die 1000-Seen-Rallye im Großraum des für Nichtfinnen kaum aussprechbaren Jyväskylä versetzt das Land in Ausnahmezustand.
Die 1000-Seen-Rallye im Großraum des für Nichtfinnen kaum aussprechbaren Jyväskylä versetzt das Land in Ausnahmezustand.imago images/PanoramiC
  • Drucken

PS-Wahnsinn in Finnland: Mit Kalle Rovanperä kann erstmals seit 20 Jahren wieder ein Suomi-Pilot Rallye-Weltmeister werden. Eine Spurensuche, „links gebremst".

Finnen lieben Melancholie und langsame Tangos, sie fahren mit ihren Rennwagen dafür furchtbar schnell. Langlauf, Speerwurf, Traben, Formel 1, früher noch im Skispringen, es galt für sie immer nur ein Satz: „Suomalaiset voitta aina“ – ja: Sie gewannen immer. Im Eishockey, Volkssport Nummer eins, musste Blau-Weiß so lang warten, sein Schicksal ertragen und schwedischen Hohn hinnehmen, ehe sich der Erfolg heuer im historischen Doppelpack mit „Olympia-Kulta“, also Gold bei den Winterspielen, und dem Triumph bei der Heim-WM in Tampere einstellte. Läuft aber die 1000-Seen-Rallye im Großraum des für Nichtfinnen kaum aussprechbaren Jyväskylä, herrscht Ausnahmezustand im ganzen Land.

Dann fallen alle Hemmungen, sind Wälder rundum restlos voll mit Zuschauern, natürlich en gros sternhagelvoll. Entweder stehen und schauen sie. Oder sie liegen, sortiert wie Sardinen, zwischen den Bäumen und schlafen glückselig. Dann fliegen Autos vorbei an grünen Birken, flitzen über abgesperrte Schotterstraßen. Sie heben ab, es gibt dann sogar Weitenmessungen. Auf „Ouninpohja“, einer der berüchtigsten Sonderprüfungen dieser Welt, segelte der Este Markko Märtin mit seinem Ford Focus WRC 2003 sagenhafte 57 Meter weit. Manchmal wird sie, aus Sicherheitsgründen, gar nicht mehr gefahren. Oder als „Power Stage“ entschärft. Trotzdem: Je lauter, weiter und schneller, desto besser. Ab Donnerstag ist es wieder so weit. Dann erlebt die 1000-Seen-Rallye ihr Revival.

Legenden der Feldwege. Wer mit Eis, Schnee und auf Schotterstraßen aufwächst, über die ausnahmslos der Weg zum rot, blau oder gelb bemalten Sommerhäuschen (Mökki) führt, lernt sehr früh Autofahren. Darum lebt der PS-Kult, sind in Finnland Sieger unvergessen, werden Champions verehrt und geliebt. Jeder kennt Ari Vatanen (1981, Ford Escort), Hannu Mikkola (1983, Audi Quattro, erstmals Allrad), Timo Salonen (1985, Peugeot 205 Turbo), Juha Kankkunen (1986 Peugeot, 1987 und 1991 Lancia Delta, 1993 Toyota Celica), Tommi Mäkinen (1996–1999, Mitsubishi Lancer Evolution) und Marcus Grönholm (2000, 2002 Peugeot). Sie schrieben allesamt PS-Historie, drifteten gekonnt zur WRC-Krone. Sie waren die wahren Helden dieser Feldwege, auf denen 200 km/h keine Sensation mehr sind.

Für andere, die sich an die Straßenverkehrsordnung halten (sollten), ist das Zuschauen allein schon der blanke Wahnsinn. Links bremsen, Drift mit oder ohne Handbremse, Gegenlenken, Sprünge, ganz zu schweigen von den präzisen Ansagen des Co-Piloten – Rallyefahren ist eine unfassbar hohe Kunst. Finnland war da jahrelang unschlagbar – und ist doch bereits seit 20 Jahren ohne Weltmeister. War – denn jetzt, in dieser WM-Saison, fährt Kalle Rovanperä allen auf und davon.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.