Mit Federn, Haut und Haar

Das gefährliche Gehirn: Es kann uns und andere töten

Suizid als ultimative dunkle Seite der komplexen kognitiven Spezialisierung ist ein menschliches Alleinstellungsmerkmal.

Aus evolutionärer Sicht sind Menschen kognitive Spezialisten. Während unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen, mit 400 Kubikzentimetern Hirnvolumen auskommen, brachten wir es auf über 1200. Jenseits der schieren Größe tunten Mutationen unseren Denkapparat zum Formel-1-Aggregat – womit er auch ähnlich störungsanfällig wurde wie ein hochgezüchteter Bolide: Beide funktionieren nur in einem optimalen Umfeld. Im Fall unseres Gehirns bestimmen die Bedingungen des Aufwachsens und das gesellschaftliche Umfeld die mentale Resilienz im Erwachsenenalter.

Suizid als ultimative dunkle Seite der komplexen kognitiven Spezialisierung von Homo sapiens ist ein menschliches Alleinstellungsmerkmal. Pro Jahr nehmen sich weltweit über 800.000 Menschen das Leben, mehr als 15 Millionen versuchen es. Anzunehmen ist eine erhebliche Dunkelziffer. Jedenfalls sterben mehr Menschen durch Suizid als durch Gewaltverbrechen und Kriege zusammen; die WHO führt Suizid als dreizehnthäufigste Todesursache. Es hat mit dem menschlichen Gehirn in Resonanz mit den Lebensumständen zu tun, wenn Leute sich oder andere töten. Das sollte man angesichts der Tatsache bedenken, dass an Gewalt (inklusive Suizid) weltweit die meisten Menschen im Alter zwischen 15 bis 44 Jahren sterben – wenig überraschend doppelt so viele Männer wie Frauen. Mord und Suizid sind also gewiss nicht einfach schicksalshaft, sondern – wie auch der Hunger auf der Welt – eine Folge sozialer und politisch-gesellschaftlicher Umstände.

Suizidraten steigen mit dem Alter, bei den über 75-Jährigen sind sie dreimal höher als bei jungen Erwachsenen. Die höchsten Raten treffen aber junge Leute der Indigenen-Gesellschaften in Nordgrönland und Australien; sie tötet letztlich der Verlust der kulturellen Wurzeln in Kombination mit Alkohol. Ähnliche Auslöser für Depressionen und Angst mögen hinter den exorbitanten Suizidraten in Osteuropa stehen. Am wenigsten freiwillig aus dem Leben scheidet man in Südamerika und in Asien. Mit jedem getöteten Menschen überleben viele verletzt, teilweise fürs Leben gezeichnet. Eine Tragödie für die betroffenen Menschen, aber auch für die nationalen Ökonomien und für unser Potenzial, mit den großen Herausforderungen der Gegenwart zurechtzukommen.

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