Pizzicato

„Vogue“ und die Nouvelle Vague

Die Glamourwelt hat längst die Politik erfasst, sogar in Kriegszeiten.

Das Cover der Hochglanz-Postille „Vogue“ war einst Hollywood- und Popstars, Models oder Lady Di vorbehalten – idealtypisch Grace Kelly oder Marilyn Monroe, deren Todestag sich zum 60. Mal jährt. Ein Datum, an dem Hollywood nicht vorübergehen konnte. „Vogue“-Chefin Anna Wintour – als Filmfigur in „Der Teufel trägt Prada“ in der Darstellung Meryl Streeps selbst zu Ruhm gekommen – hat den Kreis der Cover-Models auf die First Ladies der USA ausgeweitet. Jackie Kennedy war solcherart Avantgarde.

Nun also Olena Selenska, die zuvor das „Time“-Cover geziert hat. Dass Starfotografin Annie Leibovitz, die für den „Rolling Stone“ die Rockstars vor die Linse geholt hatte, sie vor ihrer Visite im Weißen Haus bei den Bidens in Kiew ablichtete, wirbelte indes Staub auf. Sie hatte sie vor einem Flugzeugwrack und Sandsäcken, zwischen Soldatinnen, auf den Marmorstufen des Palasts und im Büro händchenhaltend mit ihrem Mann in Szene gesetzt.

Die Glamourwelt hat längst die Politik erfasst, sogar in Kriegszeiten – was zynisch anmutet. Früher galt: von der Leinwand in die „Vogue“. Heute ist es oft umgekehrt. Obgleich sich bei den Selenskijs der Kreis schließt: Sie kommen aus der TV-Welt, und sie werden früher oder später als Protagonisten auf der großen Leinwand landen. So ist der Lauf der Dinge – die Nouvelle Vague.

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2022)

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