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Zeitreise

Heute vor... im Juli: Die Wiedergeburt des Pessimismus

Dr. Kurt Sommerfeld über seelische Grundstimmungen in Völkern, die sich in einem geheimnisvollen Rhythmus abwechselt.

Neue Freie Presse am 31. Juli 1922 

Die bis zur Grimasse krampfhaft verzerrte Ausgelassenheit, in der sich die "Lebenslust" heutzutage austobt, wird von Kulturkritikern einer späteren Zeit gewiß als ein Merkmal des Zerfalls, der Entartung, des Anfangs vom Ende gedeutet werden, als jene Lust an der Orgie, am Rausche, an der Betäubung, wie sie etwa im untergehenden Rom oder im Paris Ludwigs XVI. und Napoleons III. zu beobachten war; es ist der phosphoriszierende Schimmer verwesender Stoffe und über Sümpfen tanzender Irrlichter.

Die abendländische Kultur, deren Ende Oswald Spengler in geistreicher, allerdings ein bisschen oberflächlicher und voreiliger Weise vorausgesagt hat, ist wieder einmal einem entscheidenden Wendepunkte angelangt, und auf philosophischem, literarischem, künstlerischem Gebiete kündet sich ebenso wie in der Lebensauffassung des einzelnen eine Wiedergeburt des Pessimismus an.