Verkehr

Langsamer Autofahren? Was es bringt

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THEMENBILD, Tirol aus der Vogelperspektive, A13 LuegbrueckeJohann Groder / EXPA / picturede
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Nur noch 100 km/h auf den Autobahnen, 80 km/h auf Schnellstraßen? Viele erhoffen sich davon, Sprit und Emissionen zu sparen. Eine neue Studie verschafft Befürwortern Aufwind.

Wien. Eigentlich hat die grüne Verkehrsministerin, Leonore Gewessler, einer möglichen Temporeduktion auf Österreichs Straßen schon eine Absage erteilt – zumindest solange man sich nicht im absoluten Versorgungsnotstand befinde. Trotzdem schwelt die Diskussion weiter.

Eine am Wochenende publik gewordene Studie der Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr (FSV) hat sie neu entfacht. Verkehrsexperten plädieren darin für eine Temporeduktion auf 100 km/h auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen sowie 30 im Stadtgebiet auf nicht vorrangigen Straßen.

„Mit diesem Maßnahmenpaket kann man Effekte für verschiedenste Defizite in der Verkehrspolitik erreichen“, sagt Gerd Sammer, Professor für Verkehrsforschung an der Boku und Leiter der Studie am Montag im Gespräch mit der „Presse“. Beim Klima, in der Verkehrssicherheit und um Energie zu sparen, brächte eine Temporeduktion enorme Vorteile.

Weniger Sprit, aber wie viel?

Angesichts steigender Preise sind vor allem Spritersparnisse für viele verlockend. Doch wie viel wird tatsächlich gespart? Einer Berechnung des Umweltbundesamts zufolge verbraucht ein Pkw bei Tempo 100 statt 130 auf Autobahnen um 23 Prozent weniger Sprit. Der ÖAMTC, der sich gegen gesetzliche Reduktionen ausspricht und für Eigenverantwortung plädiert, geht hingegen nur von einem maximal dreiprozentigen Einsparungspotenzial aus.

Was stimmt also? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen: Denn einerseits liegt die tatsächliche Durchschnittsgeschwindigkeit auf Autobahnen bei 115 bis 120 km/h, die Einsparung beim Tempolimit 100 ist also geringer. Der Energieverbrauch hängt zudem stark vom jeweiligen Fahrzeug ab und von äußeren Faktoren wie dem Luftwiderstand. Der aktuellen Studie zufolge könnte man mit weniger Tempo auf allen Straßen zehn Prozent Treibstoff einsparen. Auf Autobahnen seien es etwa 15 Prozent.

Fürs Klima besser

Als gesichert gilt, dass langsameres Fahren zu deutlich weniger Emissionen führt. „In der Klimafrage ist das Tempolimit die wirksamste Maßnahme überhaupt“, sagt Sammer. CO2-Emissionen reduzieren sich laut Umweltbundesamt bei Tempo 100 im Vergleich zu 130 um knapp ein Viertel, Luftschadstoffemissionen wie Feinstaub könnten sogar um ein Drittel, Stickstoffoxide um die Hälfte reduziert werden (siehe Grafik).

Auch der Lärm wird reduziert. Werden statt 130 nur 100 km/h gefahren, kommt es zu einer Lärmabnahme, die beinahe einer Halbierung entspricht. Bei einer Reduktion von 100 auf 80 km/h verringern sich die Lärmemissionen um zwei Dezibel – als wären um 35 Prozent weniger Pkw unterwegs.

Und dann wären da noch die Unfälle: In Österreich ist die Wahrscheinlichkeit, auf der Straße getötet zu werden, zwei- bis dreimal so hoch wie in Norwegen, sagt Sammer. Besonders auf Freilandstraßen, wo mehr als die Hälfte der Verkehrsteilnehmer ums Leben kommen, wäre der Effekt spürbar, sagt auch der Verkehrsclub Österreich, der ein Tempolimit befürwortet. „Mit einer Temporeduktion gäbe es auf einen Schlag rund 120 Tote weniger pro Jahr, und um 9000 Verletzte weniger“, zitiert Sammer aus der Studie.

(Noch) keine Mehrheit

Es gibt also viele Gründe, die für neue Tempolimits sprechen würden – eine Umsetzung ist in Österreich derzeit eher unwahrscheinlich. Eine politische Mehrheit gibt es nicht, ÖVP und FPÖ sind klar dagegen, Grüne und Neos sind nur im Notfall dafür, auch die SPÖ ist skeptisch. Wobei es mit dem Kärntner Landeshauptmann einen prominenten Ausreißer gibt, für den Tempolimits durchaus vorstellbar sind.

Auch in der Bevölkerung hat die Maßnahme laut diverser Umfragen derzeit mehr Gegner als Anhänger. Für Verkehrsexperten Sammer ist das kein valider Grund: Schon in Graz habe sich bei der flächendeckenden Tempo-30-Einführung gezeigt, dass die Akzeptanz schon unmittelbar danach massiv angestiegen sei. Deswegen schlägt er ein Probejahr vor. „Mir geht es darum, dass man die Fakten auf den Tisch legt und eine Diskussion anstößt.“

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