Die US-Regierung soll für die Firmen in Russland interveniert haben. Sie haben Zahlungen an Wikileaks blockiert. Die Internet-Gruppe Anonymous kündigt weitere Website-Blockaden an, die sie als "digitales Sit-In" versteht.
Anonymous, die lose Vereinigung, die hinter den Website-Blockaden der Kreditkartenunternehmen Visa und Mastercard, sowie des Zahlungsdienst PayPal vermutet wird, hat ihre Beweggründe offen gelegt. Eine der auf Wikileaks veröffentlichten US-Depeschen aus der Moskauer Botschaft fordert die US-Regierung zu Lobby-Arbeit für die beiden Firmen auf. Es geht um ein geplantes russisches Gesetz, das für US-Anbieter erhebliche Nachteile bringen würde. Visa und Mastercard werden darin namentlich genannt. In einer Twitter-Nachricht verweist Anonymous auf die Moskauer Depesche mit dem Kommentar "unsere Gründe".
Russisches Gesetz hätte US-Firmen geschadet
In der aus vertraulich eingestuften Nachricht vom Februar 2010 aus der Botschaft wird ein Nationales Zahlungskartensystem (NPCS) beschrieben, das in einem russischen Gesetzesentwurf verankert werden sollte. Würden Visa und Mastercard dem NPCS beitreten, hätten russische Banken Kreditkarten mit ihrem eigenen Logo vertreiben und Zahlungen selbst abwickeln können. Dadurch hätten die US-Anbieter bis zu vier Milliarden Dollar an Gebühren verlieren können. Ein erheblicher Schaden also für die beiden Unternehmen.
USA sollten Russland "zusetzen"
Der Wirtschaftsattaché der Moskauer Botschaft, Matthias Mitman, fordert daher in der Depesche die US-Regierung auf, bei russischen Behörden zu intervenieren, "um der russischen Regierung zuzusetzen, den Entwurfstext zu ändern, damit sichergestellt ist, dass US-Zahlungsunternehmen nicht darunter leiden." Für Anonymous scheint klar zu sein, dass hier der Grundstein für die Blockade von Spenden an Wikileaks seitens Visa und Mastercard liegt. Die US-Regierung, blamiert durch die Veröffentlichung der mehr als 250.000 Depeschen, dürfte einen Gefallen eingelöst haben. Mastercard blockierte das Konto von Wikileaks komplett, Visa will eine Woche lang prüfen, ob die Enthüllungsplattform gegen Gesetze verstoßen hat.
"Website-Blockaden nur digitales Sit-In"
In einem recht langen Blogeintrag versuchen die Anonymous-Mitglieder auch Verständnis für ihre Aktionen gegen die Unternehmen zu wecken. Die Gruppe würde einen "friedlichen Feldzug" führen. Die Blockade von Websites sieht das Kollektiv nicht als Angriff, sondern als "digitales Sit-In". "Fürchtet uns nicht", steht in dem Schreiben. "Anonymous' Aktion hat nicht vor, einzelne Bürger, irgendwelche Organisationen, Websites oder Regierungen zu verletzen, die wahre Redefreiheit unterstützen." Man würde für alle kämpfen, selbst die gegnerische Seite.
Jeder kann Angriffe starten
Gleichzeitig gibt Anonymous ein Caveat. Nicht alles, was der Gruppierung zugeschrieben werde, sei auch tatsächlich von ihr ausgeführt. "Glaubt nicht alles, was ihr in den Nachrichten lest oder hört", steht in dem Eintrag. Tatsächlich ist nicht bekannt, wer hinter dem Namen steckt. Die Blockaden der Websites der US-Firmen geschahen durch DDos-Attacken. Dabei werden die Ziel-Server mit Daten so lange zugemüllt, bis sie in die Knie gehen. Dazu wird gern ein Werkzeug namens "Low Orbit Ion Cannon" genutzt, das es jedem, der einen Computer benutzen kann, ermöglicht, eine derartige Attacke zu starten oder sich an ihr zu beteiligen.
Inhomogene Gruppierung
Sind die Website-Blockierer eine zielgerichtete Gruppe gewiefter Hacker oder doch nur ein Verband aus frustrierten Jugendlichen, die durch das Lahmlegen eines Servers einer großen US-Firma endlich etwas Macht in ihrem Leben verspüren können? Vermutlich eine Mischung aus beidem. Durch die Leichtigkeit, mit der heutzutage diese Angriffe gestartet werden können, ist der Kreis der möglichen Unterstützer in Wahrheit nicht messbar. Auch trägt jeder, der während einer Attacke versucht, den Server eines der Unternehmen zu kontaktieren, mit seinem eigenen Datentransfer selbst zu der Blockade bei. Dadurch dass Anonymous seinem Namen gerecht wird, sind eventuelle Drahtzieher nur schwer auszumachen.
Wirtschaftlicher Schaden
Das "friedliche Sit-In", wie Anonymous seine Angriffe bezeichnet, ist es aber auch nicht. Die Blockade von PayPal zur US-Hauptgeschäftszeit bedeutet, dass zigtausende Kunden nicht auf ihre Konten zugreifen konnten. Verkäufer auf eBay konnten für mehrere Stunden ihre Transaktionen nicht über PayPal abwickeln. Man könnte es damit vergleichen, wie wenn auf einmal in ganz Österreich die Bankomaten nicht mehr funktionieren. Die möglichen Umsatzeinbußen für die Händler sind nicht von der Hand zu weisen. Besonders, wenn die "Sit-Ins" weiter fortgesetzt werden, was Anonymous ja angekündigt hat.
(db)