Horrorfilm

"Hatching": Gefangen in der Wohlfühl-Diktatur

Da hat sich wer ein Ei gelegt: "Hatching" von Hanna Bergholm.
Da hat sich wer ein Ei gelegt: "Hatching" von Hanna Bergholm.Polyfilm
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Im finnischen Horrorfilm „Hatching“ gebiert der Imagedruck einer Musterfamilie Ungeheuer: sehenswert.

Ein positiver Nebeneffekt der von Pandemie, Streaming und veränderten Sehgewohnheiten beförderten Kinokrise ist die wachsende Bereitschaft mancher heimischen Verleiher, im Kleinen wieder moderate Risken einzugehen. Etwa Filmen bescheidene Starts zu gewähren, die man zuvor nicht einmal mit der Kneifzange angefasst hätte – in der Hoffnung, etwaige Nischenzielgruppen anzulocken. Oder schlicht neues, jüngeres Publikum.

So schaffen es immer öfter auch spannende Arbeiten aus den Bereichen Horror und Fantastik, wie sie hierzulande nur beim Slash-Filmfest gesichtet werden können, regulär auf die Leinwände. Ein schönes aktuelles Beispiel: „Hatching“ von Hanna Bergholm. Das Langfilmdebüt der 42-jährigen Finnin birgt Grusel und Ekel, Schrecken und Schocks. Und ist zugleich berückende Parabel über die Emanzipation eines jungen Mädchens von ihrer selbstsüchtigen Mutter.

Die Blumengestecke des Bösen

Dass in der heilen Welt Tinjas (Siiri Solalinna) etwas nicht stimmt, ahnt man in „Hatching“ freilich schon von Anfang an. Viel zu breit ist das Grinsen der Influencer-Mutter (Sophia Heikkilä), die ihren Followern flötend Musterfamilienalltag verkauft – ein perfektes, unbeschwertes Leben zwischen Blumengestecken und -tapeten, in allen Beigetönen des Regenbogens. Dass die Beziehung zur Tochter gut zu sein scheint – die beiden agieren als liebevolles Team – ist eine von vielen Erzählnuancen, mit denen Bergholm und Drehbuchautor Ilja Rautsi gröbste Klischees umschiffen und die Spannung des Films durchweg aufrecht halten.

Dennoch dauert es nicht lang, bis sich das Zwangsidyll ein Ei legt: Tinja, die von ihrer Mama beiläufig zur Profigymnastin gedrillt wird, findet es im nebligen Wald nebenan. Der rosa Plüschteddy dient als heimlicher Brutkasten. Was dann schlüpft, hat viele schleimige Federn, einen hungrigen Schnabel – und steht unzweifelhaft für die unterdrückten Freiheitsbegierden des Töchterchens. In der Manier eines modernen Kunstmärchens wächst sich die monströse Metapher immer weiter aus – mit Unterstützung von Animatroniker Gustav Hoegen und Make-up-Künstler Conor O'Sullivan. Sie führt zum Niedergang der Wohlfühl-Diktatur – und wirft uns schließlich einen stolzen, selbstbewussten Blick entgegen.

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