Fall Kellermayr

Drohungen gegen Ärzte: "Es ist nicht beendet, wenn man es liest"

Trauerkundgebung für Lisa-Maria Kellermayr
Trauerkundgebung für Lisa-Maria Kellermayr(c) imago
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Mit Perücke auf die Straße, ins Burn-out gefallen: Ärztinnen und Ärzte, wie die verstorbene Lisa-Maria Kellermayr, sind immer öfter mit Drohungen konfrontiert - vor allem, wenn sie sich zu Corona äußern.

Der Tod der österreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr, zu dem auch Hassnachrichten und Todesdrohungen von anonymen Impfgegnern geführt haben sollen, hat in den vergangenen Tagen für Schlagzeilen gesorgt. Derartigen Drohungen waren und sich auch viele andere Ärztinnen und Ärzte ausgesetzt, vor allem wenn sie sich öffentlich zu Corona äußern, wie das Ö1-"Morgenjournal" am Mittwoch berichtete. So führte dies etwa bei der Virologin Dorothea van Laer sogar zum Burn-out.

Für Van Laer sei vor allem das erste Jahr der Pandemie heftig gewesen, erinnerte sie sich im Radio-Interview: "Es hat mich auch sehr belastet, vor allem weil diese Hass-E-Mails zum Teil wirklich sehr verletzend waren. Ich habe dann gelernt, mich ein bisschen vorsichtiger auszudrücken, es immer nur als meine subjektive Meinung darzustellen." Trotzdem waren die Auswirkungen für die Tirolerin gravierend: "Im ersten Jahr hat es dazu geführt, dass ich im November dann ein Burn-out hatte und über einen kompletten Monat ausgefallen bin."

Zeitweise sei Van Laer wegen der massiven Angriffe nur mit Perücke auf die Straße gegangen. Die meisten Drohungen seien via Mails gekommen. "Im Internet fallen offensichtlich die Hemmungen und da ist es dann auch unter die Gürtellinie gegangen und war wirklich mit Ausdrücken, die man nicht wiederholen kann", schilderte sie.

Deeskalationskurse „sind ständig ausgebucht“

Auch Hans-Peter Hutter, Hygiene-Experte an der MedUni Wien und in dieser Funktion während der Pandemie oft medial präsent, war und ist Drohungen von Maßnahmengegnern ausgesetzt, erzählte er im Interview. Man brauche eine dicke Haut: "Es ist nicht dann beendet, wenn man es liest, sondern das hallt nach. Man ärgert sich drüber, man denkt sich: 'Was ist das für eine Unverschämtheit.' Und das nagt an einem. Das habe ich relativ rasch erkannt und das radikal abgestellt." Diskussionen mit den Verfassern würden wenig bringen, daher ist sein Lösungsansatz: "Brutal" löschen, wenn schon Kopfzeile und Betreff seltsam wirken.

In der Ärztekammer (ÖÄK) ist man sich der Probleme bewusst, wie Rudolf Schmitzberger im Ö1-Beitrag unterstrich. Als Leiter des ÖÄK-Referats für Impfangelegenheiten sei auch er von Bedrohungen betroffen. Es wurden auch schon erste Maßnahmen getroffen: Die Ärztekammer Wien habe etwa einen Kurs zu Deeskalationsmaßnahmen mit einer Selbstverteidigungseinheit gestartet, so Schmitzberger. "Sie sehen, wie dramatisch die Situation ist. Diese Kurse sind ständig ausgebucht." Auch bei der Ärztekammer Salzburg gebe es solche Kurse, in der Steiermark wurde eine Anti-Mobbing-Burn-Out-Supervisionsstelle (AMBOSS) eingerichtet, in Wien eine Ombudsstelle für Mobbing, Gewalt, Sexismus und Rassismus für Ärztinnen und Ärzte.

Der Kammervertreter forderte mit Blick auf den Fall der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr aber auch schärfere Gesetze, höhere Strafen und eine Bewusstseinsänderung - konkret, dass "die Bedrohungen und Hass im Internet nicht mehr leichtfertig als Kavaliersdelikt hinzunehmen sind". Diese müssten von den Behörden auch konsequent verfolgt werden.

Es gibt eine Reihe Hilfseinrichtungen und Anlaufstellen für Menschen in akuten Krisensituationen. Unter www.suizid-praevention.gv.at findet man Notrufnummern und Erste Hilfe bei Suizidgedanken.

Telefonische Hilfe gibt es auch bei:

Kriseninterventionszentrum (Mo-Fr 10-17 Uhr): 01/406 95 95, kriseninterventionszentrum.at
Rat und Hilfe bei Suizidgefahr 0810/97 71 55
Psychiatrische Soforthilfe (0-24 Uhr): 01/313 30
Sozialpsychiatrischer Notdienst 01/310 87 79
Telefonseelsorge (0-24 Uhr, kostenlos): 142
Rat auf Draht (0-24 Uhr, für Kinder & Jugendliche): 147
Gesprächs- und Verhaltenstipps: bittelebe.at

Hilfe für Menschen mit Suizidgedanken und Angehörige bietet auch der noch recht junge Verein „Bleib bei uns“. www.bleibbeiuns.at

(APA/Red.)

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