Porträt

Chronist des anderen Amerika

Ozier Muhammad zeigt in Österreich Schnappschüsse von Künstlern in Aktion.
Ozier Muhammad zeigt in Österreich Schnappschüsse von Künstlern in Aktion. Christopher Shaw
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Der Fotograf und Pulitzer-Preis-Träger Ozier Muhammad stellt beim Outreach-Festival in Schwaz erstmals seine Bilder in Österreich aus.

Als Fotograf der „New York Times“ reiste Ozier Muhammad viele Male in Krisengebiete. Ende 2001 reiste er, kurz nachdem US-Militärs die Taliban vertrieben hatten, mit einer Delegation nach Afghanistan. Direkt von dort ging es nach Somalia, wo er gemeinsam mit einem Kollegen ein Trainingscamp des IS dokumentieren sollte. Eine Fotostory über jene paramilitärischen Einheiten, die sich aus Angst vor den Konsequenzen nach dem Völkermord in Ruanda im Dschungel versteckten, war ein weiterer furchteinflößender Auftrag.

Fotojournalist Muhammad bekam etliche Preise für seine Arbeiten. 1985 wurde ihm für den Fotoessay „On the Desperate Continent“ gemeinsam mit zwei Kollegen sogar der Pulitzer-Preis zugesprochen. „Das hat mich dann doch ziemlich überrascht. Ich ahnte schon, dass wir gute Arbeit geleistet haben bei dieser Hungerreportage in Äthiopien, aber an so etwas denkt man nicht. Schon gar nicht bei dem Leid, dessen erste Zeugen wir waren.“

Ein Sinn für Geschichte

Das Politische hat ihn, dessen Großvater der berühmte Elijah Muhammad war, einer der Mitbegründer der amerikanischen Nation of Islam, schon früh bewegt. Besonders hinsichtlich der Fragen institutionalisierter Ungerechtigkeiten gegenüber Afroamerikanern und des Rassismus ganz allgemein.

„Mein Großvater hat mir einen Sinn für Geschichte eingepflanzt. Und wohl auch das Bestreben in mir ausgelöst, einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensgrundlagen der schwarzen Bevölkerung der USA zu leisten. Nach meiner Ausbildung wollte ich vor allem Afroamerikaner und Afrikaner in der Diaspora in vielen Aspekten zeigen. Wie sie sich der Dehumanisierung entgegensetzen, wie sie für Gerechtigkeit kämpfen und wie sie künstlerische und kulturelle Beiträge für die ganze Gesellschaft leisten.“

„Eine aufregende Zeit“

Vorbilder hatte er keine, aber Einflüsse gab es. Etwa den Fotografen und Filmemacher Gordon Parks, der 1971 mit „Shaft“ das Genre Blaxploitation begründete. „Parks war der erste und einzige Schwarze, der jemals beim ,Life Magazine‘ angestellt war. Mitte der Sechzigerjahre dokumentierte er die Community der Nation of Islam, die damals von meinem Großvater geleitet wurde. Es war eine aufregende Zeit. Die populärsten Mitglieder der NOI waren damals Boxer Muhammad Ali und Malcolm X.“

Was die Bildästhetik anlangt, suchte er sich eine ganz spezielle Inspiration. Er fand sie im Jazz. „Von meinem 14. Lebensjahr an war ich fanatischer Hörer dieser Musik, die ein Geschenk Amerikas an die Welt ist. Vor allem die Hard-Bop-Ära und die Musik von Labels wie Impulse und Blue Note liebe ich. Früh war es meine Intention, dass meine Bilder von der Spontanität des Jazz durchtränkt sein sollten.“

Das scheint nicht nur bei seinen Reportagen über die Auswirkungen des Hurrikans Katrina in New Orleans oder seinen Berichten über den Wahlkampf von Barack Obama der Fall gewesen zu sein.

Ozier Muhammad suchte immer wieder Gelegenheiten, seine Lieblingsmusiker mit der Kamera einzufangen. Seit vierzig Jahren berichtet er etwa über das renommierte Newport Jazz Festival. „Ich versuche den Geist der Gemeinschaft bei den Musikern zu finden und festzuhalten. Leider werden einem in letzter Zeit immer mehr künstliche Hindernisse in den Weg gelegt, um das leisten zu können“, so der Fotograf.

Schnappschüsse von Künstlern

Ein alter Fuchs wie er weiß sie allerdings erfolgreich zu überwinden. Und er freut sich, dass er vom Tiroler Trompeter Franz Hackl eingeladen wurde, bei dessen Outreach-Festival in Schwaz Bilder zu zeigen. „Der Titel meiner Ausstellung lautet ,Song, Sorrow, Joy‘. Ich zeige Schnappschüsse von Künstlern in Aktion, aber auch Bilder von historischen Begebenheiten und tragischen Vorkommnissen. Die ganze Bandbreite zwischen den großen Gefühlen, zu denen der Mensch fähig ist.“

Was die Zukunft anlangt, so ist sich Ozier Muhammad nicht ganz sicher, ob er Optimist oder Pessimist sein soll. „Als Vater und Großvater ist es meine Pflicht, Optimist zu sein. Leider tendiere ich aber zuweilen zu etwas, das seit Mitte der Siebzigerjahre ,Afropessimismus‘ genannt wird. Aber das ist eine andere Geschichte.“

Zur Person

Ozier Muhammad bekam als Fotograf der „New York Times“ den Pulitzer-Preis für seine Fotoreportage „On the Desperate Continent“ über Dürre und Hungersnot und deren politische Folgen in Afrika. Doch auch als Musikfotograf machte er sich einen Namen. Beim Outreach Music Festival, das heuer zum 30. Mal in Schwaz in Tirol stattfindet, werden seine Bilder erstmals in Österreich ausgestellt. Das Festival läuft vom 4. bis 6. August, unter anderem mit dem Leni Stern Quartet, Dave Taylor, Memplex und Franz Hackl's Outreach Orchestra.

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