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Staatsanwaltschaft München ermittelt im Fall Kellermayr

Trauerkundgebung für Kellermayr
Trauerkundgebung für Kellermayr (c) imago/SEPA.Media
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Die Anklagebehörde in Wels hat die Ermittlungen eingestellt. Der in die Kritik geratene oberösterreichische Polizeisprecher geht indes juristisch gegen Kritiker vor.

Im Fall der verstorbenen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr ermittelt nun die Staatsanwaltschaft München. Die Anklagebehörde in Wels hatte ja die Ermittlungen gegen einen deutschen Verdächtigen mangels territorialer Zuständigkeit eingestellt. Der in der Causa in die Kritik geratene oberösterreichische Polizeisprecher David Furtner geht indes juristisch gegen Kritiker vor.

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft München II - die Behörde ist für das Umland der bayrischen Hauptstadt zuständig - Andrea Grape bestätigte am Mittwoch "Ermittlungen gegen eine männliche Person wegen des Verdachts der Beleidigung und der Bedrohung". Nähere Details wollte sie dazu unter Verweis auf ein laufendes Verfahren nicht machen.

Hackerin macht zwei Deutsche ausfindig

Eine Hackerin aus Deutschland hatte zwei Deutsche ausfindig gemacht, die Droh-E-Mails verfasst haben sollen. Da das aber bedeuten würde, dass der Tatort nicht in Österreich liegt, mussten die Ermittlungen gegen diese Verdächtigen in Österreich eingestellt werden. Den heimischen Strafverfolgungsbehörden sind nach aktueller Rechtslage bei einem vergleichsweise "schwachen" Delikt wie der gefährlichen Drohung in grenzüberschreitenden Fällen die Hände gebunden.

Auch die Staatsanwaltschaft Berlin wurde von den österreichischen Behörden über mögliche Verdächtige in ihrem Zuständigkeitsbereich informiert. Dort hieß es allerdings, dass vorerst kein Verfahren bekannt sei, was aber auch daran liegen könne, dass internationale Übernahmen immer Zeit in Anspruch nehmen würden. In Österreich wird nach wie vor gegen unbekannte Täter ermittelt.

Polizei-Pressesprecher geht gehen Kritiker vor

Der Leiter der Polizei-Pressestelle Oberösterreich geht unterdessen rechtlich gegen Kritiker vor. David Furtner hatte am 28. Juni im "Ö1"-Mittagsjournal der Ärztin unterstellt, sie habe in die Öffentlichkeit gedrängt, wolle "über die Medien das eigene Fortkommen" fördern und sie habe den Fall "sehr, sehr dramatisch" dargestellt. Ein Twitter-User hat nun von einem Anwalt Furtners eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung erhalten, nachdem er den Polizeisprecher nach dem Tod der Ärztin kritisiert hatte.

Furtners Anwalt Gernot Sattlegger sagte, man habe vom Instrument der außergerichtlichen Unterlassungsaufforderung nur gegen einen einzigen Twitter-Nutzer Gebrauch gemacht. Dessen Tweet sei "aus meiner Sicht überschießend und rechtswidrig", weil er dem Polizeisprecher unterstelle, Schuld am Tod der Ärztin zu sein. Das sehe er im Gegensatz zu vielen anderen kritischen Postings nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt, so der Anwalt sinngemäß.

Von dem User wird verlangt, das Posting zu löschen, ähnliche künftig zu unterlassen und die Anwaltskosten zu zahlen. Tut er das nicht, könnte ihm eine Unterlassungsklage drohen. Seinem Mandanten gehe es "nicht darum, jemanden vor den Strafrichter zu zerren, sondern die Folgen eines rechtswidrig verursachten Imageschadens abzuschwächen", sagte Sattlaegger.

Medieanwältin: Twitter-Post war zulässig

Die Medienanwältin Maria Windhager hält die im Twitter-Post getätigten Aussagen allerdings für zulässig, sagte sie "futurezone.at". In dem konkreten Äußerungszusammenhang handle es sich um politische Kritik. Außerdem habe sich der Polizeisprecher in dem besagten Interview so exponiert, dass er eine so scharfe Kritik aushalten müsse, wurde sie zitiert. Es könne aber dennoch sein, dass die Inhalte des Postings vor einem Gericht nicht halten, meinte Windhager.

Die massiven Anwürfe aus der Impfgegner-Szene auf die Ärztin hatten im November 2021 begonnen, nachdem die Medizinerin eine Demonstration vor dem Klinikum in Wels auf Twitter kritisiert hatte. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich sprach daraufhin von einer "Falschmeldung".

Dieser Tweet war "Grundlage für eine Flut an Beschimpfungen, Beleidigungen, Verleumdungen, Drohungen und größten Anstrengungen von Anhängern der Szene, mir größtmöglichen Schaden zuzufügen. Er dient als Begründung, mich eine Lügnerin zu nennen, eine Hexe, die Ordination durch schlechte Bewertungen zu schädigen und vieles mehr. Also wenn jemand von denen seine Drohungen wahr machen sollte kennen Sie ihren Anteil daran", antwortete Kellermayr bereits am 17. November der Polizei Oberösterreich.

Mehrfach bat sie um Löschung des Tweets. Dieser ist bis heute auf der Twitter-Seite der Polizei Oberösterreich mit mehr als 11.300 Followern ersichtlich. In der Vorwoche wurde die Ärztin tot aufgefunden.

Die Neos haben am Dienstag eine parlamentarische Anfrage an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) eingebracht. Sie wollen in 38 Fragen mit etlichen Unterfragen unter anderem wissen, was alles unternommen wurde, um Kellermayr Schutz zukommen zu lassen. Zudem wollen sie eine Antwort auf die Frage, warum der Polizei-Tweet, in dem von einer "Falschmeldung" die Rede ist, nicht gelöscht wurde.

Es gibt eine Reihe Hilfseinrichtungen und Anlaufstellen für Menschen in akuten Krisensituationen. Unter www.suizid-praevention.gv.at findet man Notrufnummern und Erste Hilfe bei Suizidgedanken.

Telefonische Hilfe gibt es auch bei:

Kriseninterventionszentrum (Mo-Fr 10-17 Uhr): 01/406 95 95, kriseninterventionszentrum.at
Rat und Hilfe bei Suizidgefahr 0810/97 71 55
Psychiatrische Soforthilfe (0-24 Uhr): 01/313 30
Sozialpsychiatrischer Notdienst 01/310 87 79
Telefonseelsorge (0-24 Uhr, kostenlos): 142
Rat auf Draht (0-24 Uhr, für Kinder & Jugendliche): 147
Gesprächs- und Verhaltenstipps: bittelebe.at

Hilfe für Menschen mit Suizidgedanken und Angehörige bietet auch der noch recht junge Verein „Bleib bei uns“. www.bleibbeiuns.at

(APA/Red.)

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