Grätzelwalk

Alsergrund: Auf den Spuren von Kunst, Medizin und Elend

Lieblingsplatz: Manuela Linshalm am Brunnen der Strudlhofstiege.
Lieblingsplatz: Manuela Linshalm am Brunnen der Strudlhofstiege.(c) Christopher Dickie
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Warum Schauspielerin und Puppentheater-Spielerin Manuela Linshalm den Alsergrund als wahre Heimat empfindet – und welche Ecken sie besonders gerne mag.

„Ich fühle mich hier auf eine Art zuhause, wie ich es daheim, in der Wohnung, gar nicht bin“, meint Michaela Linshalm. Die Schauspielerin und Puppenspielerin wohnt im 11. Bezirk und schätzt ihre Wohnung sehr: „Die Ruhe, die Nähe zum Grünen, zum Flughafen und Hauptbahnhof, das ist in meinem Job viel wert, wenn man viel unterwegs ist“, etwa in der Schweiz, in Deutschland oder Südtirol. Doch Heimat, wenn man den Begriff wählen möchte, ist der gebürtigen Wienerin die Stadt mehr im Alsergund, rund um das Schuberttheater in der Währinger Straße 46. „Hier habe ich zum Puppentheater gefunden, ist quasi mein Stützpunkt entstanden, ist mein aktives, gesellschaftliches Zentrum.“

Flair aus Zeiten und Orten

(c) Christopher Dickie

Die Gründerzeitbauten, der nahe Arne-Karlsson-Park mit den mächtigen Platanen, das Caffè Milano im gleichen Haus, das Bezirksamt schräg gegenüber, in dem sich ihre Eltern vor 51 Jahren trauten – das alles mache das Flair, die Zugehörigkeit aus. „Ich bin ja im 3. Bezirk aufgewachsen und nach Intermezzi im 23. und 15. Bezirk glücklich in Simmering gelandet“, erzählt die Künstlerin.

(c) Christopher Dickie

Das Figurentheater, geleitet von Simon Meusburger und Lisa Zingerle, befindet sich seit 2007 in den Räumen eines ehemaligen Kinos aus den 1920ern, das ab den 1960ern zum Pornokino mit eigenem Filmstudio umfunktioniert wurde. „Bis vor einigen Jahren kamen durchaus noch ältere Herren auf der Suche nach dem Schubertkino vorbei“, erzählt Linshalm. „Das Schuberttheater wurde dabei mißverständlich als Live-Show aufgefasst“, lacht sie. Im kleinen Theater sind Puppen aus diversen Spielzeiten und Aufführungen zu sehen, die von Linshalm, KollegInnen und Nikolaus Habjan stammen, „der mich überhaupt erst auf die Idee gebracht hat, das zum Beruf zu machen.“ Fixpunkt und Lokal für alle Fälle ist dabei das erwähnte Caffè Milano im gleichen Haus. „Hier feiern wir, diskutieren, genießen den Kaffee“, erzählt sie. Einige Kollegen würden auch das vegane Lokal „Bröselei“ in der Strudlhofgasse ums Eck bevorzugen, wo sie wie sich Kuchen und anderes Essen besorgen.

Der Park ist ihr seit ihrem ersten selbst geschriebenen Stück „Die Welt ist ein Würstelstand“ (2019) – inspiriert von ebendiesem an der Ecke Währinger Straße/Spitalgasse – noch vertrauter geworden. „Es entsteht ja mit jeder wichtigen Begebenheit an einem Ort eine zusätzliche Verbundenheit.“, erklärt sie.

Einst Armenviertel

Heute mit zahlreichen Instituten und Studentenheimen universitär gefärbt, hat das Grätzel lange als Ort für Arme, Waisen und Kranke gedient – und in der Folge auch der Medizin und Forschung. „Im Arne-Karsson-Park etwa stand schon im Mittelalter das Siechenhaus St. Johann an der Als, 1860 bis 1928 ein Bürgerversorgungshaus“, erzählt Linshalm, die sich im Rahmen ihres Stückes mit der Geschichte befasst hat. Auch die Strudlhofstiege (und Gasse) ist nach dem 1690 erbauten Hof des Malers Peter Strudel benannt, der zuerst als Malschule, später als Pestspital, als Quarantänestation bei ansteckenden Krankheiten und als „Vereinigtes Findel- und Ammenhaus“ genutzt wurde.

(c) Christopher Dickie

Zum Ort, zur Person

Heute steht hier unter anderem das Würtembergpalais. Die berühmte Jugendstil-Stiege mit Brunnen verlängert die Gasse seit 1910 in den elf Meter tiefer gelegenen Bezirksteil, wo in Vorzeiten ein Donauarm floss. „Die Stiege ist einfach ein Anziehungspunkt, ich habe sie sicher schon zu jeder Tages- und Jahreszeit fotografiert“, sagt Linshalm. Hier macht sie gern mal Pause oder ist unterwegs zum Bauernfeldplatz, „um gut zu Essen, Freunde zu treffen, oder einfach das Da sein zu genießen.“Um das Siechenhaus St. Johann an der Als (Arne-Karlsson-Park) entwickelte sich im Mittelalter eine erste Siedlung, später wurde der 1850 eingemeindete 9. Bezirk für Wein, Wäschereien und Medizin bekannt. Wohnungen kosten durchschnittlich 7864 (gebraucht) bis 8503 (neu) Euro/m2.

Manuela Linshalm ist als Schauspielerin und Puppenspielerin tätig, etwa beim Theaterfestival Hin und Weg in Litschau vom 12. bis 21. August.
www.hinundweg.jetzt

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