Folgenschwerer Besuch

China droht USA mit "Bestrafung", 27 Kampfjets in Taiwans Luftverteidigungszone

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HONG KONG-CHINA-US-TAIWAN-PELOSI-VISITAPA/AFP/PETER PARKS
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Das unangekündigte Treffen von US-Parlamentschefin Nancy Pelosi mit Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen hat große Manöver Chinas nahe Taiwans ausgelöst und könnte noch enorme Folgen haben. Moskau stellt sich demonstrativ an die Seite Pekings.

China hat den USA wegen des Taiwan-Besuchs der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi (Demokraten) mit „Bestrafung" gedroht. „Diejenigen, die China beleidigen, werden bestraft", sagte Außenminister Wang Yi am Mittwoch am Rande des Außenministertreffens der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean im kambodschanischen Phnom Penh. Erneut drangen am Mittwoch chinesische Kampfjets in die Luftverteidigungszone von Taiwan ein.

27 Flugzeuge der chinesischen Luftwaffe seien am Mittwoch in die taiwanische Luftverteidigungszone eingedrungen, teilte das Verteidigungsministerium Taiwans auf dem Kurzbotschaftendienst Twitter mit.

Bereits am Dienstag waren während Pelosis Besuchs mehr als 20 chinesische Militärflugzeuge in die Luftverteidigungszone Taiwans geflogen, wie Beamte in Taipeh mitteilten. China erklärte daraufhin, dass die Militärübungen, die bis zu 20 Kilometer an die Küste Taiwans heranreichen, zum Schutz von Chinas Souveränität "notwendig und legitim" seien.

Chinas Außenminister Wang bezeichnete den Besuch der 82-jährigen Parlamentschefin in Taiwan - für China eine „abtrünnige Provinz - als „Farce". Sie ist mittlerweile wieder abgereist. Wang warf den USA vor, die chinesische Souveränität „unter dem Deckmantel der sogenannten Demokratie" zu missachten. Auch der russische Außenminister, Sergej Lawrow, übte scharfe Kritik an dem Besuch, mit dem die USA der Welt ihre „Gesetzlosigkeit" demonstrierten.

Warnungen des US-Militärs ignoriert

Pelosi hielt sich weniger als 24 Stunden in Taipeh auf. Spätabends am Dienstag angekommen, traf sie am Mittwoch mit Präsidentin Tsai zusammen, ehe sie am frühen Abend nach Südkorea weiterflog. Zuvor hatte die US-Spitzenpolitikerin in Taipeh noch Menschenrechtsaktivisten getroffen, darunter den früheren Führer der 1989 blutig niedergeschlagenen Demokratiebewegung in China, Wuer Kaixi.

Pelosi war am späten Dienstagabend (Ortszeit) in Taipeh eingetroffen. Der offiziell nicht angekündigte Stopp ist Teil einer größeren Reise durch mehrere Staaten Asiens. Im Vorfeld hatten US-Politiker und auch das Militär angesichts von Spekulationen über einen Taiwan-Besuch Pelosis davor gewarnt, denn es könnten unabsehbare militärische Konsequenzen drohen - erfolgreiche militärische Hilfe der USA für Taiwan werde indes angesichts Chinas Aufrüstung der vergangenen Jahrzehnte im Ernstfall sehr kostspielig bis aussichtslos sein, so der Tenor der meisten Einschätzungen. US-Präsident Joe Biden hat kürzlich indes versichert, dass man Taipeh im Fall einer Aggression beistehen werde.

Am Mittwoch traf Pelosi mit Präsidentin Tsai zusammen. Pelosi betonte, dass Solidarität mit Taiwan mehr denn je wichtig sei. Die Entschlossenheit der USA, die Demokratie in Taiwan und dem Rest der Welt zu bewahren, sei „eisern". „Wir schätzen es, dass Taiwan eine der freiesten Gesellschaften der Welt ist", sagte sie vor Taiwans Parlament.

In Handelsfragen biete die neue US-Gesetzgebung zur Stärkung der US-Chipindustrie gegenüber China eine größere Chance für die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den USA und Taiwan. Pelosi stellte zugleich klar, dass die USA die Ein-China-Politik Pekings respektierten. Man unterstütze den Status Quo und wolle nicht, dass Taiwan Gewalt angetan werde, sagte sie aber mit Blick auf Drohungen des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping, die Insel zu erobern.

U.S. House Speaker Nancy Pelosi meets Taiwan President Tsai Ing-wen
U.S. House Speaker Nancy Pelosi meets Taiwan President Tsai Ing-wenVIA REUTERS

Tsai dankte Pelosi und erklärte, man werde angesichts der zunehmenden Bedrohung durch China nicht weichen. Taiwan sei ein zuverlässiger Partner der USA und werde weiter die Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit, wirtschaftliche Entwicklung und Lieferketten vorantreiben.

„Ein Ärgern aus dem Nichts geschaffen"

Festlandchina hatte den USA ein „Spiel mit dem Feuer" vorgeworfen und eine militärische Reaktion auf Pelosis Besuch angekündigt. Unter anderem wurden Militärmanöver mit Schießübungen in der Nähe der Insel begonnen und wirtschaftliche Sanktionen ergriffen. So stellte China den Export von Sand nach Taiwan aus (ein wichtiger Rohstoff etwa für die Bauindustrie und Computerchips), während umgekehrt der Import von Zitrusfrüchten und gewissen Fischsorten untersagt wurde.

Taiwans Streitkräfte befürchten, dass die an verschiedenen Orten rund um die Insel stattfindenden Militärübungen Chinas auf eine See- und Luftblockade hinauslaufen. Die Manöver lösten auch in Japan Besorgnis aus. Tokio ist ein wichtiger Verbündeter der USA.

Lawrow sagte am Rande eines Besuchs in Myanmar (Birma), die USA agierten nach dem Motto „Ich mache, was ich will". Ein solches Ärgernis sei aus dem Nichts geschaffen worden, wohl wissend, was das für China bedeutet, sagte der russische Außenminister.

Der Pelosi-Besuch überschattet das Außenministertreffen der Asean-Staaten in Kambodscha. An den mehrtägigen Gesprächen, die am Mittwoch in Phnom Penh begannen, nehmen auch Chinas Außenminister Wang Yi und US-Außenminister Antony Blinken teil. Das Treffen der Staatengruppe sei eine Chance, um die angespannte Lage zu beruhigen, sagte der kambodschanische Vize-Außenminister Kung Phoak.

Reuters

Nach der Niederlage im Bürgerkrieg gegen die Kommunistische Partei und der Gründung der Volksrepublik China auf dem Festland zogen sich die Regierung, Eliten und Streitkräfte der früheren „Republik China“ 1949 nach Taiwan zurück. Über Jahrzehnte wurde es mehrheitlich als Repräsentant Gesamt-Chinas anerkannt, auch in der UNO und im UN-Sicherheitsrat. Das änderte sich ab den 1960ern, als immer mehr Staaten - vor allem ehemalige Kolonien - Festlandchina anerkannten. 1971 wurde es statt Taiwan Repräsentant für Gesamt-China in den UN und ist heute nur noch von wenigen Ländern formal anerkannt, etwa von kleinen Staaten Lateinamerika wie Paraguay, Honduras und Belize und Inselstaaten im Pazifik wie Palau, Nauru und den Marshall-Inseln.

Auch die USA erkennen Taiwan nicht als unabhängigen Staat an, sehen sich aber an frühere Beistandszusagen gebunden.

(Reuters/AFP/APA/wg)

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