Gastkommentar

Pelosis Besuch in Taiwan ist ein Sieg für alle Demokratien

(c) Peter Kufner
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Dass die USA den Allmachtsfantasien Pekings nicht nachgegeben haben, zeigt autoritären Staaten, dass wir uns nicht schikanieren lassen.

DIE AUTORIN

Katharine Chang (*1953) ist taiwanische Diplomatin und repräsentiert derzeit die Republik China (Taiwan) in Österreich, Slowenien und Kroatien. Sie war die erste Botschafterin Taiwans und leitete unter anderem Taiwans Vertretungen im Vereinigten Königreich, Australien und den Niederlanden.

Spätestens seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar sollte allen klar sein, wie die Taktik autoritärer Regierungen aussieht: Sie verlangen etwas, was offensichtlich nicht ihnen gehört, drohen anschließend mit Krieg oder gar dem Einsatz von atomaren Waffen, mit der Zerstörung der Menschheit selbst, und warten, bis man ihnen Zugeständnisse macht, um sie zu beschwichtigen. Als Folge erhalten diese Regime immer mehr; im Gegenzug geben Demokratien immer mehr auf, um die andere Seite nicht zu verärgern und einen Frieden zu wahren, der tatsächlich nur von einer Seite angestrebt wird.

Warum? Diktaturen steht diese Art der Zugeständnisse von vornherein nicht zu! Das größte Problem dabei ist: Je mehr man nachgibt, desto mehr wird verlangt. Bei den Zugeständnissen kommt es zu keiner permanenten Lösung, denn Autoritarismus lässt sich niemals zufriedenstellen. Jedes Mal, wenn Demokratien nachgeben, werden autoritäre Staaten noch aggressiver in die nächste Runde gehen und nach noch mehr verlangen, das ihnen nicht gehört und niemals gehört hat – bis nichts mehr von der freien Welt übrig ist.

Taiwan war nie Teil Chinas

Um dieser Taktik zu kontern, gibt es, wie bei Geiselnahmen durch Terroristen, nur ein effektives Mittel: Kein bisschen auf die Forderungen eingehen. Taiwan ist und war in seiner gesamten Geschichte noch nie Teil der Volksrepublik China. Wie kann sich eine fremde Regierung also anmaßen zu bestimmen, welche Leute bei uns zu Gast sein dürfen?

Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses der USA, ist nun am späten Dienstagabend in Taipeh gelandet. Der Besuch geht also lediglich die USA und Taiwan etwas an. China hat seine ungefragte Meinung künstlich aufgeblasen und es geschafft, sich ins Zentrum einer Diskussion zu drängen, die mit der Regierung in Peking schlichtweg nichts zu tun hat. Diese Einmischung wirkt sogar noch abstruser, wenn man bedenkt, dass wichtige politische Besuche aus dem Ausland in Taiwan gang und gäbe sind. Erst vergangenen Monat besuchte uns zum Beispiel die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Nicola Beer, die ihre Reise mit folgender Aussage zusammenfasste: „Taiwans demokratische Werte sind unsere Werte. China darf nicht zündeln mit dem Frieden in der Region.“

Auch im vergangenen Jahr kam eine Delegation des Europäischen Parlaments zu uns, mit der unter anderem der österreichische Abgeordnete Andreas Schieder nach Taiwan reiste. Der Leiter der Delegation, EP Raphaël Glucksmann, tat seine Unterstützung Taiwans öffentlich bekannt und meinte: „Taiwan ist nicht allein. Europa steht euch bei der Verteidigung von Freiheit, Demokratie und Menschenwürde zur Seite.“ Auch von anderen demokratischen Ländern dürfen wir immer wieder Delegationen willkommen heißen. Erst vor einer Woche besuchten uns Delegierte aus unserem Nachbarland Japan, darunter unter anderem die beiden ehemaligen Verteidigungsminister Shigeru Ishiba und Yasukazu Hamada. Auch aus den USA dürfen wir immer wieder Gäste bei uns begrüßen.

Und bei jedem Besuch stellen unsere Gäste eines fest: Taiwan ist eine florierende Demokratie, deren Werte mit denen anderer Demokratien eins sind; die Erfolgsstory einer vielfältigen, offenen und modernen Gesellschaft. Und genau das ist Peking ein Dorn im Auge. Denn wie der Chefautor des Redaktionsnetzwerks Deutschlands, RND, Matthias Koch, richtigerweise auf Twitter beobachtet: „Doch Xi Jinping empfindet wie Putin schon die bloße Existenz einer freien Gesellschaft vor der eigenen Haustür als Infragestellung seiner Macht.“ China stört, dass das benachbarte Taiwan Erfolg hat und der chinesischen Bevölkerung aufzeigt, dass das demokratische System das System der Zukunft ist. Nichts fürchten autoritäre Staaten mehr, als dass in der eigenen Bevölkerung die Hoffnung auf ein freies Leben aufkeimt.

Wenn Chinesen nach Taiwan blicken, dann sehen sie eine fröhliche Demokratie, die gut in die Weltgemeinschaft integriert ist und Beziehungen zu anderen Staaten pflegt, deren Basis Freundschaft ist und nicht Erpressung und Misstrauen; eine fortschrittliche und zukunftsorientierte Demokratie, in der Frauen über 40 Prozent der Sitze in der Legislative innehaben und es gleichgeschlechtlichen Paaren seit 2019 erlaubt ist zu heiraten (noch immer das einzige Beispiel in ganz Asien); eine Demokratie, in der Pressefreiheit existiert, was unter anderem auch dazu führt, dass sich immer mehr internationale Journalisten in Taiwan niederlassen, vor allem die, die aus China und Hongkong fliehen müssen; eine Demokratie, in der religiöse Freiheit und Inklusion praktiziert werden, die erst heuer zum zweitmuslimfreundlichsten Reiseziel der Welt erklärt wurde, während in China die muslimische Minderheit der Uiguren in Lagern verschwindet; eine Demokratie, die ihre Bevölkerung schützt, indem sie erfolgreich geschafft hat, die Ausbreitung von Covid-19 auf ein Minimum zu beschränken, bis die überwiegende Mehrheit geimpft war, während gleichzeitig die Privatsphäre des Einzelnen respektiert wurde, und in der jetzt große Öffnungsschritte stattfinden; eine Demokratie, die es in den globalen Krisen der vergangenen Jahre zu einem hohen Wirtschaftswachstum geschafft hat, ein Global Player in der Herstellung von Halbleitern ist, ohne die so viele Bereiche unseres modernen Lebens nicht mehr möglich wären, aber sich trotzdem nicht zu ernst nimmt und auch als Gründerin von populären Getränken wie des Bubble Tea ist; eine Demokratie, die beim World Happiness Report 2022 zur „happiest nation“ Ostasiens erklärt wurde und die von der internationalen NGO Freedom House auf Platz 7 der freiesten Länder der Welt 2022 platziert wurde (mit Deutschland, Chile, Estland und Island).

Leuchtturm der Demokratie

Wie man anhand dieser Beispiele sehen kann, gibt es vieles, von dem die KPCh wünscht, die eigene Bevölkerung im Dunkeln zu lassen. Aber Taiwan wird immer wieder als „Leuchtturm der Demokratie“ in unserer Region beschrieben und genau dieses Licht, das in die Dunkelheit strahlt, fürchtet Peking.

Dass beim Besuch von Nancy Pelosi nicht den Allmachtsfantasien Pekings nachgegeben wurde, zeigt autoritären Staaten wie China, dass die demokratische Welt zusammenhält und dass wir uns nichts von außen diktieren lassen, dass wir uns nicht schikanieren lassen. Es zeigt, dass wir uns von Erpressungen nicht beeindrucken lassen, dass die Zeit der Zugeständnisse von abstrusen und größenwahnsinnigen Ansprüchen vorbei ist und dass wir uns in unserer so hart erkämpften Freiheit nicht einschränken lassen.

Nancy Pelosis Besuch in Taiwan ist ein Sieg – nicht nur für Taiwan, sondern für alle Demokratien der Welt, gerade in einer Zeit, in der Autoritarismus unser aller Leben in Freiheit zu zerstören droht.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2022)

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