Der Politologe Ali Fathollah-Nejad zieht Bilanz nach einem Jahr Amtszeit von Ebrahim Raisi im Iran: Über den Volkszorn, der zu explodieren droht, über Sanktionen - und über die Drohkulisse einer Atombombe.
Präsident Ebrahim Raisi, der als Hardliner gilt, ist seit genau einem Jahr im Amt. Wie hat sich das Land unter seiner Führung verändert?
Die Machtmonopolisierung der Hardliner im Zuge der Parlamentswahlen 2019 und seiner Wahl zum Präsidenten ein Jahr später hätte theoretisch die Chance eröffnen können, auf die wirtschaftlichen Belange der Menschen einzugehen. Immerhin hat diese Fraktion einen beispiellosen Zugang zu den Ressourcen und Reichtümern des Landes. Doch die sozio-ökonomische Misere wütet, allein in dieser ersten Jahreshälfte zählte man mindestens 2.200 Proteste, letztes Jahr waren es 4.000 – ein Rekordwert zumindest seit 2016.
Sie sagen, dass die Reformisten an einem massiven Legitimationsverlust leiden. Hat der Vorgängerpräsident Hassan Rohani dies zu verantworten?
Spätestens die landesweiten Proteste zum Jahreswechsel 2017/18 haben verdeutlicht, dass die Reformisten keine Zukunft mehr haben. Damals hörte man erstmals Slogans gegen sie – bei der Grünen Bewegung 2009 nahm man die Reformisten als Hoffnungsträger auf einen Wandel noch aus. Die große Enttäuschung hat auch damit zu tun, dass Hassan Rohani – der zwar kein Reformist ist, aber vom Reformlager maßgeblich unterstützt wurde – seine Wahlversprechen auf ganzer Linie nicht einhalten konnte. Raisi selbst ist mit dem Wahlversprechen Präsident geworden, die wirtschaftliche Situation zu verbessern.
Wie lautet nun die Bilanz nach einem Jahr?