Halbleitermangel

Warum die Taiwan-Blockade so verheerend wäre - und auch China schadet

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Gerade bei den Halbleitern spielt Taiwan eine zentrale Rolle in der globalen Wertschöpfungskette. Bei der Auftragsfertigung von Chips hat der Inselstaat einen globalen Marktanteil von 60 Prozent.

Die großangelegten chinesischen Militärmanöver vor Taiwans Küste könnten die ohnehin schon gestörten Lieferketten zusätzlich belasten. Denn durch die Taiwanstraße zwischen China und der Insel fährt fast die Hälfte aller Containerschiffe weltweit, wie eine Auswertung der Finanznachrichtenagentur Bloomberg für die ersten sieben Monate des Jahres ergab. Diese Schiffe haben enorm wichtige Güter an Bord: Halbleiter etwa und elektronische Geräte, sowie auch Gas.

Gerade bei den Halbleitern spielt Taiwan eine zentrale Rolle in der globalen Wertschöpfungskette. Bei der Auftragsfertigung von Chips hat der Inselstaat einen globalen Marktanteil von 60 Prozent, erklärt der WU-Wirtschaftsprofessor Harald Oberhofer. Ein Ausfall der Produktion in Taiwan hätte demnach enorme Auswirkungen für die Weltwirtschaft, wo die Halbleiter von Mobiltelefonen und Computern bis hin zu Elektroautos in fast allen Technologiebereichen gebraucht werden.

"Taiwan ist durch TSMC das mit Abstand wichtigste Land für sogenannte Cutting-Edge Chips, also die modernsten Halbleiter, die es aktuell auf dem globalen Markt gibt", sagte auch Julia Hess, Expertin des Think Tanks "Stiftung Neue Verantwortung".

Den Marktanteil Taiwans in diesem Bereich beziffert Hess mit 90 Prozent. Die modernen Halbleiterprodukte werden beispielsweise in Mobiltelefonen, Rechnern aber auch im Bereich der künstlichen Intelligenz oder des autonomen Fahrens gebraucht, erklärte die Expertin im Bereich "Technologie und Geopolitik" bei der deutschen Stiftung.

Darüber hinaus produziere Taiwan aber auch größere Chips, wie sie zum Beispiel in der Automobilbranche oder in der Industrie verwendet werden. Nimmt man alle Halbleiter-Kategorien zusammen, produziere Taiwan jeden zweiten Chip auf der Welt, so Hess.

Sollte es zu einer Blockade Taiwans durch China kommen oder die Lieferketten zumindest gestört werden, wäre es besonders im Cutting-Edge-Bereich sehr schwer, den Ausfall auszugleichen.

Bisher keine zusätzlichen Lieferprobleme

Bisher habe man aber noch keine zusätzlichen Lieferschwierigkeiten wegen der chinesischen Manöver wahrgenommen, sagt Hermann Ortner, Delegierter der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) in der taiwanesischen Hauptstadt Taipeh. China-Experte James Char vom S. Rajaratnam-Institut für internationale Beziehungen in Singapur hält es aber für "unvermeidlich", dass die internationalen Lieferketten durch die Militärmanöver zusätzlich gestört werden. Handelsexperte Nick Marro vom Forschungsunternehmen Economist Intelligence Unit warnt, eine Unterbrechung der Schifffahrtsrouten rund um Taiwan würde nicht nur den Inselstaat treffen, sondern auch die Exportnationen Südkorea und Japan.

Der Taiwan Taiex Shipping and Transportation Index - darin sind die größten taiwanischen Unternehmen im Bereich Schifffahrt und Luftverkehr zusammengefasst - ist seit Beginn der Woche bereits um 4,6 Prozent gesunken. Nach Beginn der Militärmanöver am Donnerstag gab er um 1,05 Prozent nach.

Reedereien planen keine Routenänderungen

Taiwans Schifffahrtsbehörde hat Frachter in den Gewässern nördlich, östlich und südlich der Insel bereits davor gewarnt, die Gebiete zu durchfahren, in denen China die Manöver abhält. Mehrere Reedereien erklärten aber auf Anfrage von AFP, sie würden zunächst die Auswirkungen der Manöver abwarten, bevor sie die Routen ihrer Schiffe änderten. Einige wiesen darauf hin, dass es wegen der Taifun-Saison aktuell riskant sei, Schiffe durch die Philippinensee zu schicken. Andere teilten mit, sie sähen keinen Grund für eine Routenänderung. "Wir sehen momentan keine Auswirkungen und wir planen keine Routenänderungen", sagte etwa die Sprecherin von Maersk China, Bonnie Huang.

Flugrouten sind auf jeden Fall gestört. In den vergangenen zwei Tagen wurden in der Taiwan gegenüber liegenden chinesischen Provinz Fujian mehr als 400 Flüge gestrichen - ein Hinweis darauf, dass der Luftraum vom Militär genutzt werden könnte. Die Regierung in Taiwan teilte mit, die Manöver würden 18 internationale Flugrouten im sogenannten Fluginformationsgebiet Taiwans durcheinanderbringen.

Die "Global Times" in China schrieb am Mittwoch, Peking wolle zeigen, dass sein Militär die gesamte Insel blockieren könne. Asien-Spezialistin Bonnie Glaser von der US-Denkfabrik German Marshall Fund sagte, China wolle mit dem Manöver Entschlossenheit zeigen.

Begnügt sich China mit Drohgebärden?

Doch angesichts der aktuell großen wirtschaftlichen Probleme der Volksrepublik werde sich Peking wahrscheinlich mit Drohgebärden begnügen, glaubt etwa James Char. "Den Schiffsverkehr durch die Taiwanstraße zu blockieren, egal wie lange, würde auch der chinesischen Wirtschaft wehtun." Auch Natasha Kassam vom australischen Lowy-Institut sagt, es sei nicht im Interesse Pekings, Reisen und Handel in der Region zum Erliegen zu bringen.

Doch auch die Analysten sind sich nicht sicher, wie weit China gehen wird. "China hat sehr wahrscheinlich die militärische Fähigkeit, eine See- und Luftblockade gegen Taiwan durchzusetzen", sagt Thomas Shugart von der US-Denkfabrik Center for a New American Security. "Aber ob China eine solche Blockade auch versucht - das ist vor allem abhängig davon, welche politischen und wirtschaftlichen Risiken die Führer der Kommunistischen Partei einzugehen bereit sind."

(APA/red.)

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