Friedensnobelpreis: Verleihung ohne den Preisträger

Friedensnobelpreis Xiaobo Jagland
Friedensnobelpreis Xiaobo Jagland(c) AP (Heiko Junge)
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In Oslo fand die Zeremonie ohne Liu Xiaobo und seine Frau Liu Xia statt. Das Nobelkomitee fordert seine sofortige Freilassung. China boykottiert die Zeremonie und zensuriert Berichte.

Ein leerer Stuhl steht im Zentrum der diesjährigen Friedensnobelpreisgala: China hat dem Schriftsteller und Menschenrechtsaktivisten Liu Xiaobo, der seit 2009 wegen Staatsgefährdung in Haft sitzt, und seiner Frau Liu Xia die Ausreise verweigert. Der Vorsitzende des Nobelpreis-Komitees, der ehemalige norwegische Regierungschef Thorbjörn Jagland, hat die Medaille auf den leeren Stuhl gelegt. Die Dotierung von umgerechnet 1,1 Millionen Euro sowie das Nobeldiplom sollen in Oslo verbleiben, bis Liu Xiaobo selbst oder eine Person seines Vertrauens darüber verfügen kann.

Liu widmete den Preis den Opfern, die bei den blutig niedergeschlagenen Studentendemonstrationen 1989 auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens (Tiananmen-Massaker) ums Leben kamen. Die Schauspielerin Liv Ullman verlas bei der Zeremonie eine Ansprache Lius, die dieser während seines Prozesses im Dezember 2009 gehalten hatte: "Erfüllt mit Zuversicht, erwarte ich den Beginn der Zukunft eines freien China. Es gibt keine Macht, die die Sehnsucht der Menschen nach Freiheit stoppen kann und am Ende wird China eine Nation werden, in der Rechtstaatlichkeit herrscht und in der Menschenrechte als Oberstes gelten."

Jagland verlangte die sofortige Freilassung des Friedensnobelpreisträgers. Liu habe nur seine Menschenrechte wahrgenommen und sei zu einem Symbol für den Kampf um diese Rechte in ganz China geworden. 15 Länder blieben der Zeremonie in Anwesenheit von König Harald V. und Königin Sonja fern, darunter neben China auch Russland, Afghanistan und der Irak. Serbien entsandte in letzter Minute doch einen Vertreter.

China blockiert Übertragung

Die Zeremonie war begleitet von scharfen Protesten aus Peking. Die chinesischen Behörden haben die Live-Übertragung der Zeremonie blockiert. Der Bildschirm war sowohl beim amerikanischen TV-Nachrichtensender CNN wie auch bei der britischen BBC schwarz. Auch die Webseite des norwegischen Nobelkomitees mit der Übertragung im Internet war gesperrt. Die chinesische Zensur hatte zuvor schon die ohnehin weitreichenden Internetsperren weiter verschärft und Begriffe wie "Oslo" und "leerer Stuhl" zensuriert. Über Mobiltelefone wurden SMS, die den Namen von Liu enthielten, nicht weitergeleitet.

Seit der Zuerkennung des Friedensnobelpreises an Liu vor zwei Monaten waren in China Dutzende von Demokratieaktivisten unter Hausarrest gestellt, in Haft genommen oder eingeschüchtert worden. Prominentes Opfer der Verfolgung wurde am Donnerstag Zhang Zuhua, der neben Liu Xiaobo an der Veröffentlichung der "Charta 08" vor zwei Jahren beteiligt war. Der Bürgerrechtler sei am Donnerstag in Peking auf der Straße von Staatssicherheitsbeamten in einen Kleinbus gezerrt und verschleppt worden, berichtete die Menschenrechtsgruppe Chinese Human Rights Defenders (CHRD) mit. Chinas Regierung hat die Auszeichnung für den "Kriminellen" Liu Xiaobo als "Einmischung in innere Angelegenheiten" verurteilt.

"Versklavung" durch kommunistisches Regime

Liu wurde 2009 in China wegen Untergrabung der Staatsgewalt zu elf Jahren Gefängnis verurteilt. Die Regierung in Peking bezeichnet den Mitverfasser der Charta 08, die das Ende der KP-Diktatur fordert, als "Kriminellen". In einer Stellungnahme Lius hatte es geheißen: "Ob zugelassen wird, dass die Diktatur der Kommunistischen Partei, die mehr als eine Milliarde Menschen zu Geiseln genommen hat, weiter die menschliche Zivilisation schwächt, oder ob die größte Geiselgruppe der Welt von der Versklavung befreit wird, ist nicht nur eine dringliche Frage für das chinesische Volk selbst, sondern für alle freien Nationen. Würde China ein freies Land, wäre sein Wert für die menschliche Zivilisation unschätzbar. Nach dem Kollaps der totalitären Imperien der Sowjetunion und des Ostblocks würde es eine neue Lawine unter den noch bestehenden diktatorischen Systemen auslösen."

(Ag.)

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