Analyse

Identitätskrise der Konservativen

Bundeskanzler Karl Nehammer in Brüssel: Gebeutelt von schlechten Umfragewerten und einer drohenden Obmanndebatte.
Bundeskanzler Karl Nehammer in Brüssel: Gebeutelt von schlechten Umfragewerten und einer drohenden Obmanndebatte.(c) IMAGO/NurPhoto (IMAGO/Nicolas Economou)
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Sie sind ausgebrannt, ideenlos und überfordert von einer diffusen politischen Auseinandersetzung. Warum sich viele Mitte-rechts-Parteien in Europa neu erfinden müssen. Von Anna Gabriel, Klaus Knittelfelder, Thomas Prior, Rainer Nowak sowie unseren Korrespondenten Peter Stäuber, Christian Gonsa und Christoph Zotter.

Wien. Das Vertrauen schwindet – und mit ihm die Macht: Der gemäßigte Konservatismus Europas steckt in einer tiefen Identitätskrise. Es ist ein Prozess, der sich in den vergangenen Jahren abgezeichnet hat und nun, in Zeiten des Kriegs, der Energieknappheit und Inflation, da die Rufe nach einem schützenden Staat lauter werden, darin gipfelt, dass die Parteienfamilie der Europäischen Volkspartei (EVP) nur noch sechs der insgesamt 27 Staats- und Regierungschefs in der EU stellt. Selbst unter ihnen gibt es Wackelkandidaten wie Österreichs Kanzler, Karl Nehammer, der gegen miserable Umfragewerte und eine Demontage in der eigenen Partei kämpft. In Deutschland wiederum müssen sich die von der Macht ausgebrannten Unionsparteien als starke Oppositionspartei neu erfinden, in Frankreich hat der Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen die Vorherrschaft rechts der Mitte übernommen. Lediglich in Teilen Osteuropas sind die Konservativen noch stark. Es gibt keine pauschale Erklärung für diese Entwicklung – und doch mehrere zusammenhängende Faktoren, die den Fall der traditionellen Parteien begünstigt haben.

Abnützung der Macht

Europas große konservative, christdemokratisch geprägte Parteien wie der Partido Popular (PP) in Spanien, die CDU/CSU in Deutschland oder die Républicains in Frankreich machen heute einen ermatteten Eindruck. „Es fehlt der Gestaltungsdrang“, analysiert Thomas Biebricher, Politikwissenschaftler an der Copenhagen Business School, im Gespräch mit der „Presse“. „Die Parteien haben keine Identität mehr.“ Das liegt einerseits an internen Hemmnissen, betrachtet man etwa den blassen, profillosen PP-Chef Alberto Núñez Feijóo. CDU-Mann Friedrich Merz wiederum ist gerade dabei, eine orientierungslose, erschöpfte Partei hinter sich zu einen. In Deutschland wie Österreich hat die jahrzehntelange Regierungsbeteiligung zu einer regelrechten Abnützung der Macht bei den Unionsparteien sowie bei der ÖVP geführt. Hinzu kommt, dass viele Kernthemen längst nicht mehr dem Zeitgeist entsprechen: Junge Menschen halten wenig von traditionell geprägten Wertvorstellungen, wie sie in den Leitlinien der Mitte-rechts-Parteien verankert sind. Doch vor allem das Zukunftsthema Klimakrise wird für die Konservativen zu einem wachsenden Problem: Deren tendenziell wirtschaftsliberale Einstellung konterkariert den allgemeinen Wunsch nach einer progressiv gesteuerten Klimapolitik.

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