Gastkommentar

Kirche und Kunst sind nicht gleich

Peter Kufner
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VfGH-Erkenntnis. Eine Anmerkung zur österreichischen Verfassungskultur.

Ich bin ein unermüdlicher Opernbesucher. So manche Aufführung vertreibt mir die emotionalen Schatten, die mein Gemüt häufig verfinstern. Musik, vor allem wenn sie theatralisch ausgeführt ist, erlöst mich vom Leiden am rationalen Leben. Die Kunst bietet mir somit, was andere, vielleicht ernsthaftere, Menschen in der Religion finden, nämlich Erlösung (oder zumindest die Hoffnung darauf). Das habe ich bislang schamhaft verborgen. Aber nun getraue ich mich, es öffentlich zu bekennen, hat doch keine geringere Instanz als der VfGH verkündet, dass die vermeintlichen Unterschiede zwischen Kunst und Religion so groß nicht seien.

DER AUTOR

Alexander Somek (*1961), Professor für Rechtsphilosophie und juristische Methodenlehre an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Jüngste Veröffentlichungen: „Knowing What the Law Is“ (Oxford 2021), „Moral als Bosheit“ (Tübingen 2021).

So lesen wir in einer neuen Entscheidung (V 312/2021-15), die in einer Covid-Verordnung vorgesehene Ausnahme von „Zusammenkünften zur Religionsausübung“ von anderen Zusammenkunftsbeschränkungen sei im Verhältnis zu künstlerischen Veranstaltungen „unsachlich“ im Sinne des Gleichheitssatzes gewesen, „denn in beiden Fällen kommt bestimmten Grundrechtsausübungen gemeinsam oder mit oder vor anderen Menschen wesentliche Bedeutung zu“. Ein für eine Ungleichbehandlung relevanter Unterschied zwischen den Freiheitsbetätigungen lasse sich nicht finden, zumal auch die Kunst nicht selten „essenziell auf [ . . . ] Darstellung vor Publikum ausgerichtet und auf dieses angewiesen“ sei.

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