Nahost-Konflikt

Eskalation in Nahost: Raketenangriffe auf Israel, Luftangriffe auf Gaza

Seit Freitag sind einem Militärsprecher mehr als 190 Raketen auf Israel abgefeuert worden. Israel hat mit Angriffen auf Gaza geantwortet. Die Opferzahl in Gaza steigt.

Nach der gezielten Tötung eines militanten Palästinenserführers hagelt es Raketen auf Israel, das mit Luftangriffen auf Gaza antwortet. Laut palästinensischen Angaben ist die Zahl der Opfer im Gazastreifen weiter gestiegen: Mindestens 15 Menschen seien seit Freitag getötet und 125 verletzt worden, teilte das palästinensische Gesundheitsministerium am Samastag mit. Unter den Toten sind demnach ein fünfjähriges Mädchen, eine 23-Jährige und eine weitere Frau.

Das israelische Militär hatte am Freitag nach Drohungen die großangelegte Militäraktion "Morgengrauen" gegen die militante Palästinenserorganisation Islamischer Jihad (PIJ) gestartet. Dabei wurden Militärchef Taisir al-Jabari und weitere PIJ-Mitglieder getötet. Der hochrangige Kommandeur war dem Militär zufolge verantwortlich für Raketenangriffe aus dem Gazastreifen und geplante Angriffe auf Zivilisten.

Rund 190 Raketen seien seit Freitag von militanten Palästinensern auf Israel abgefeuert worden, teilte das israelische Militär am Samstag mit. Sie gingen demnach auf offenem Gelände nieder oder wurden vom Raketenabwehrsystem Iron Dome abgefangen. Rund 36 Raketen seien noch innerhalb des Gazastreifens zu Boden gegangen. Mehrere Städte, darunter auch die Küstenstadt Tel Aviv, öffneten aus Sorge vor weiteren Attacken öffentliche Luftschutzräume.

Offenbar Wohnhäuser getroffen

Nach Angaben aus palästinensischen Sicherheitskreisen wurden bei den Angriffen am Samstag drei Wohnhäuser getroffen. Ein fünfstöckiges Wohnhaus westlich von Gaza-Stadt sei demnach zerstört worden. Anrainer berichteten, dass israelische Drohnen zuvor eine Warnrakete auf das Gebäude abfeuerten, bevor Kampfjets das Gebäude angriffen. Das israelische Militär teilte mit, dass bei der Militäroperation lediglich Waffenproduktionsstätten, Raketenabschussanlagen und Waffenlager zerstört wurden. Berichte über getötete Zivilisten seien bekannt und würden untersucht, sagte ein Vertreter des Militärs am Samstag. Zudem habe man im Westjordanland in der Nacht 20 Menschen festgenommen, 19 davon seien Verbindung mit dem Islamischen Jihad gestanden.

Die Gruppe wird von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft. Sie ist eng mit Israels Erzfeind Iran verbunden und nach der Hamas die zweitstärkste militärische Kraft in dem Küstenstreifen. "Die Kämpfer des Islamischen Jihad sind bereit, den Krieg fortzusetzen", teilte die militante Organisation Medienberichten zufolge am Samstag mit. Allein 60 Raketen seien seit Samstag früh auf Israel abgefeuert worden. Sie zielten demnach auch auf den internationalen Flughafen Ben Gurion im Zentrum Israels.

Vermittlungsversuche von Ägypten, UNO und Katar

Berichten aus Gaza zufolge soll es erste Vermittlungsversuche von Ägypten, den Vereinten Nationen und Katar geben. Israels Armee stellt sich unterdessen auf einen längeren Einsatz ein. "Das Militär ist auf eine einwöchige operative Tätigkeit vorbereitet, entsprechend der Anweisung der politischen Ebene und des Generalstabschefs", teilte das Militär mit. Ministerpräsident Yair Lapid sagte am Freitag: "Israel ist nicht an einer breiten Operation im Gazastreifen interessiert, hat aber auch keine Angst vor ihr." Für Samstagabend wurde eine Sitzung des Sicherheitskabinetts einberufen.

2019 hatte Israel auch den Vorgänger von Al-Jaabari, Jihad-Militärchef Baha Abu al-Ata, gezielt getötet. Damals folgten massive Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf israelische Orte und Gegenangriffe der israelischen Luftwaffe in dem Küstenstreifen. Nach einigen Tagen konnte mit Hilfe von Unterhändlern Ägyptens und der Vereinten Nationen eine Waffenruhe vereinbart werden.

Eskalation durch Festnahme

Der Eskalation vorangegangen war die Festnahme eines Anführers des Islamischen Jihads im Westjordanland, Bassam al-Saadi, am Montag. Israel sperrte über mehrere Tage hinweg Gebiete am Rande des Küstenstreifens ab und erhöhte die Alarmbereitschaft. Berichten zufolge soll es konkrete Pläne eines Angriffs auf israelische Zivilisten gegeben haben.

Die Europäische Union (EU) und Russland haben die israelische und die palästinensische Seite zur Mäßigung aufgerufen. Die EU fordere "alle Seiten zur größtmöglichen Zurückhaltung auf, um eine weitere Eskalation und weitere Opfer zu vermeiden", sagte am Samstag ein Sprecher des Außenbeauftragten Josep Borrell. Das russische Außenministerium erklärte, es verfolge die Entwicklung mit "tiefer Besorgnis" und fordere alle Seiten zu "maximaler Zurückhaltung" auf.

Bereits im vergangenen Jahr hatten sich die israelischen Streitkräfte einen elftägigen Konflikt mit militanten Palästinensern im Gazastreifen geliefert. Nach palästinensischen Angaben starben damals 255 Menschen, in Israel kamen nach israelischen Behördenangaben 13 Menschen ums Leben. Mehr als 4.000 Raketen wurden nach israelischen Angaben auf Israel aus dem Gazastreifen abgefeuert. Ägypten vermittelte schließlich eine Waffenruhe zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden Hamas.

Während des Sechstagekrieges 1967 hatte Israel unter anderem das Westjordanland und den Gazastreifen erobert. Die Hamas hatte 2007 gewaltsam die Macht an sich gerissen. Israel verschärfte daraufhin eine Blockade des Gebiets, die von Ägypten mitgetragen wird. Beide Staaten begründen die Maßnahme mit Sicherheitsinteressen.

Einziges Kraftwerk in Gaza abgeschaltet

Indes ist das einzige Kraftwerk im Gazastreifen ist nach palästinensischen Angaben wegen Treibstoffmangels vorübergehend abgeschaltet worden. "Aufgrund der gegenwärtigen Umstände und des fehlenden Treibstoffs wurde das Kraftwerk abgeschaltet", teilte die Stromgesellschaft am Samstag in Gaza mit. Die Stromversorgung in dem Palästinensergebiet werde deshalb von bisher zwölf auf vier Stunden reduziert.

Aus Angst vor Angriffen hatte Israel die Einfuhr von Treibstoff in das Gebiet am Montag gestoppt. Ein Beamter der Stromgesellschaft teilte mit, die Abschaltung des Kraftwerks führe zu einer "katastrophalen Situation" im Gazastreifen. Das Gebiet habe schon zuvor unter zu geringen Strommengen gelitten. Demnach sind täglich rund 550 Megawatt Strom notwendig, um die Bedürfnisse der rund zwei Millionen Einwohner abzudecken. Zuletzt seien jedoch nur 180 Megawatt verfügbar gewesen.

Aus palästinensischen Sicherheitsquellen hieß es, dass Israel ursprünglich den Grenzübergang für die Einfuhr begrenzter Mengen an Treibstoff wieder öffnen wollte, die Entscheidung aber in letzter Minute zurückgenommen habe. Vorangegangen seien demnach Vermittlungsversuche.

(APA/DPA)

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