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Overstimulation

Was macht es mit uns, wenn wir von zu viel Schönheit umgeben sind?

Nie waren wir konstant von so vielen schönen Gesichtern umgeben. Diese sogenannte Beauty Overstimulation beschäftigt nicht nur unser Gehirn.

Sie haben keine Poren, zierliche Näschen und sind vollständig faltenfrei: Die Gesichter, die uns nicht nur auf Plakaten, in Magazinen und Filmen, sondern auch auf TikTok und in den anderen sozialen Medien umgeben, sind dank Schönheitsoperationen, Ringlichtern, Filtern und Nachbearbeitung mittlerweile so unwirklich schön, dass es schwierig wird, unsere eigene, ungefilterte Erscheinung in einen gesunden Kontext zu setzen. Ein Phänomen, das die britisch-US-amerikanische Schriftstellerin Eleanor Stern kürzlich als „Beauty Overstimulation“ – also „Schönheits-Überreizung“ – benannte. „Wir sind nicht nur täglich immer mehr schönen Gesichtern ausgesetzt, sondern die Menschen machen sich selbst auch schöner als je zuvor“, so die Autorin.

Wobei Beate Großegger, Wissenschaftliche Leiterin des Wiener Instituts für Jugendkulturforschung, Wert darauf legt, dass es sich nicht um wirkliche Schönheit handelt: „Wir in der Forschung sehen, dass es bei diesem Trend zu „Beautifizierung“ nicht um klassische Schönheit, sondern vielmehr um Attraktivität geht“, so die promovierte Kommunikationswissenschafterin. „Attraktivität misst sich an einer Norm, während Schönheit im kunsttheoretischen Zusammenhang spannend ist, auch von der Norm abweicht oder damit bricht und eine Unverwechselbarkeit hat. Wenn man von diesem Verständnis ausgeht, sind beispielsweise auch Falten schön.“

Nicht dafür gemacht. Davon ist derzeit aber wenig zu sehen, zumindest in der breiten Masse nicht, Ausnahmen bestätigen die Regel. Was für unsere Selbstwahrnehmung, aber auch unser Gehirn eine neue Herausforderung darstellt. „Wir sind nicht dafür gemacht, so viele schöne Gesichter zu sehen“, fasste die amerikanische Journalistin Felicity Martin es kürzlich in einem Essay zusammen. Und Psychologie-Professorin Nancy Etcoff, die unter anderem in Harvard zu den Themen Gehirn, Verhalten und Ästhetik lehrt, analysiert in ihrem Buch „Survival of the Prettiest“ („Nur die Schönsten überleben“), was diese permanente Menge an Schönheit um uns herum auslöst: „Wir nehmen die Attraktivität jedes Gesichts genauso wahr, wie wir prüfen, ob es uns bekannt vorkommt oder nicht“, schreibt sie. „Unsere Schönheits-Detektoren scannen die Umgebung wie ein Radar, und es reicht der Bruchteil einer Sekunde aus, um diese zu bewerten. Ein Rating, das sich auch dann nicht ändert, wenn wir mehr Zeit dafür haben.“ Was bedeute, dass unsere Detektoren in der heutigen Zeit permanent anschlagen; verstärkt werde die Situation dadurch, dass die Algorithmen von Plattformen wie Instagram oder TikTok Gesichter anderen Motiven wie Landschaften oder Essensfotos vorziehen und daher ihre User anspornen, Selfies „für den Algorithmus“ zu posten. Was wiederum dazu führe, dass die Menge an Gesichtern, die wir in unseren Feeds sehen, höher ist als je zuvor, so Etcoff.

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