Konzert

Nick Cave: Nur Gott kann diesen Prediger besänftigen

Dualismus à la Nick Cave: keine Schönheit ohne Gefahr.
Dualismus à la Nick Cave: keine Schönheit ohne Gefahr. FOTOKERSCHI.AT/HANNES DRAXLER
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Auf der Burg Clam war Nick Cave am Freitag in seinem Element: Ein Abend voller Dramatik und Schweiß.

Minimalistisches Dröhnen waberte durch die Baumkronen, mysteriöse Rhythmen wirbelten durchs Unterholz: Die Herabkunft des Meisters kündigte sich mit gefährlichen Klängen an. Und dann stand er tatsächlich eine halbe Stunde vor der geplanten Zeit auf der Bühne im Tal zu Burg Clam. Deren schaurig-romantische Anmutung gefiel Nick Cave offensichtlich. Er war blendender Laune, als er auf schmalen Stegen ins Publikum trippelte und ihm entgegengestreckte Hände ergriff. Kundenkontakt eben – ein bisschen wie in der Pole-Dance-Strip-Bar. Bloß Geld muss man dem 64-jährigen Entertainer keines mehr zustecken.

Als Zugeständnis an die Temperaturen hatte er einen Zweiteiler gewählt. Ungeachtet des Hitzestaus begann er so furios, dass der Schweiß nur so spritzte. „Get Ready For Love“, der Opener, bereitete ideal auf das vor, was Cave mit sechs Musikern und einem kleinen Gospelchor dann fast drei Stunden mit dem Publikum umsetzte: eine geistig-seelische Transformation, wie sie in ähnlich musikalischem Furor sonst nur in den Kirchen der Afroamerikaner passiert. „I'm transforming, I'm vibrating, I'm glowing, I'm flying, look at me now“, hieß es trefflich in „Jubilee Street“. Als Schüler hat Cave im australischen Nest Wangaratta im Kirchenchor gesungen und das als ziemliche Farce wahrgenommen. Vielleicht hat ihn ja dieses frühe Erlebnis angeregt, den Gestus des Predigers ein Leben lang weiterzuentwickeln. Auch an diesem Abend. Zur Herstellung des „spiritual groove“ in „Higgs Boson Blues“ forderte er Rückversicherung seitens seiner Gemeinde. „Can you feel my heartbeat?“, fragte er in beständig dringlicher werdendem Ton. Dann erfolgte der Sprung zur leicht surrealen Strophe mit „Hannah Montana“. Cave überführte hier das Triviale ins Dramatische.

Kitsch und Krach.
Um die Spannung weiter zu steigern, lehnte er sich gefährlich weit ins Menschenmeer hinaus. War er von seinen eigenen Bildwelten irritiert? „Karl Marx squeezed his carbuncles while writing ,Das Kapital‘“, sang er – und spuckte kräftig aus. „There she goes, my beautiful world“, hieß dieser Song. Wie der Titel andeutet, ist bei Cave ein reizvoller Dualismus am Werk: keine Schönheit ohne Gefahr, keine Liebe ohne Schmerz. Das permanente Wechseln der musikalischen Anmutung zählt zudem zu seinen bewährten Strategien. Auf eine Kurzformel gebracht: Es herrscht steter Kampf zwischen süßem Kitsch und brüllendem Krach.

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