Glaubensfrage

Sommer = Urlaub = Bücherlesen

Ein paar Hinweise für theologisch und/oder spirituell Interessierte. Lesetipps für die, denen Kirche nicht nur ein Wort des Anstoßes und Transzendenz kein Fremdwort ist.

Es gibt nicht wenige, für die ein Sommer ohne Urlaub genauso unvorstellbar ist wie ein Urlaub ohne Bücher. Und wie ein Urlaub ohne das Entdecken anderer Welten. Das kann banal durch Verlassen des Daheims geschehen. Manchmal reicht es, sich beim Lesen auf unbekanntes Terrain verführen zu lassen.

Im Bereich, der sich an Kircheninteressierte und spirituell Neugierige wendet, existiert eine große Bandbreite an neuen und ziemlich neuen Buchveröffentlichungen: Hier zunächst die Ex-Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich, Gerda Schaffelhofer (Werft die Fesseln ab!VGN). Sie fordert ein radikales (selten hat das Wort so gepasst), neues Denken der Kirche, belässt es nicht bei Kleinigkeiten wie der Abschaffung des Zölibats, sondern will die Zerschlagung des klerikalen Systems, wie sie es nennt. (Was an deren Stelle dann genau treten soll, das lässt sie offen).

Dort, auf dem anderen Ende der Skala, findet sich ein reich bebildertes Buch eines Mönchs aus dem Stift Heiligenkreuz, von Pater Johannes Paul Chavanne (Wie der Himmel klingt; Styria). Da ist so gar nichts über Krisen, Probleme und Strukturen der katholischen Kirche zu lesen. Aber sehr viel über Schönheit und Macht des gerade bei den Zisterziensern im Wienerwald gepflegten Gregorianischen Chorals und über den Alltag im Kloster. Wer auch im Urlaub sein Smartphone dabei hat (wer hat das nicht?), kann sogar über einen QR-Code die Mönche singen hören. Kontemplation pur.

Zwischen diesen Polen zu verorten ist eine laut Eigendefinition Bestandsaufnahme des Spannungsfelds zwischen Kirche und Gesellschaft, von Ute und Friedemann Derschmidt sowie Karin Schneider herausgegeben (Ambivalenzen; Anton Pustet). Klingt jetzt vielleicht weniger spannend und sperriger als sich die Zusammenschau mit Themen von Antisemitismus über Politik und Kirche bis zum Vermögen der Kirche liest. In Beiträgen kommen Bischöfe (Benno Elbs, Alois Schwarz), Theologinnen und Theologen (Regina Polak, Paul M. Zulehner) zu Wort, auch der unermüdliche Bestsellerautor David Steindl-Rast ist dabei.

Der wiederum selbst mit einer soeben erst erhältlichen Neuerscheinung im Buchhandel vertreten ist (Die Kraft des Staunens; Styria). 99 Mal spricht David Steindl-Rast Segenswünsche aus, „segnend, was mir spontan einfiel, von Insekten bis Internet, von Farben bis Freundschaft“, wie er erläuternd schreibt. Selbst alte Zäune sind ihm eine Erwähnung wert. Ein Buch für echte Fans und wohl nicht für jedermann geeignet. Aber für das Eintauchen in eine gänzlich andere Welt, eine Welt der Dankbarkeit allemal. Wer will sich schon mit der begnügen, die uns täglich umgibt?

dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2022)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.