Eine ungewisse Zukunft unter der Herrschaft der Taliban. Afghanische Mädchen spielen vor einem Friedhof in Kandahar.
Reportage

Die Angst im „Emirat“ der Taliban

Vor einem Jahr kehrten in Afghanistan die Islamisten der Taliban zurück an die Macht. Entgegen ihrer Versprechen schlossen sie erneut die Frauen aus vielen Lebensbereichen aus. Kontakte zu al-Qaida blieben aufrecht. Der Flügel der Hardliner hat sich durchgesetzt. Doch eine moderatere Fraktion sucht internationale Anbindung.

Farooq Wardak ist sichtlich gealtert. Seine Haare sind grau geworden und er hat einiges an Gewicht verloren. Doch Afghanistans einstiger Bildungsminister wirkte glücklich, als er am Kabuler Flughafen landete und von Vertretern der Taliban-Regierung empfangen wurde. Für das neue Regime war die Rückkehr Wardaks ein kleiner Scoop, der dementsprechend zelebriert wurde. „Seht her: Die von uns ausgerufene Amnestie ist keine Lüge“, lautete die Botschaft der Taliban. Immerhin ist der 63-Jährige Wardak der bis dato höchste Offizielle der im vergangenen Sommer gestürzten, afghanischen Republik, der in seine Heimat zurückgekehrt ist – trotz der neuen Herrscher. Am 15. August vor einem Jahr übernahmen die Kämpfer der Taliban die Kontrolle über die afghanische Hauptstadt Kabul. Die Regierung des afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani floh aus dem Land.

Wardak, der hauptsächlich in der Amtszeit von Ex-Präsident Hamid Karzai tätig war, gehörte zu den korruptesten Politikern Afghanistans. Während seiner Amtszeit lebte Wardak wie die meisten anderen Mitglieder der Regierung in Saus und Braus. Verschiedenen Berichten zufolge soll er mehrere Immobilien im Ausland besitzen. Kurz nach Wardaks Rückkehr nach Kabul machten alte Interviews des Ex-Ministers die Runde, in denen er die Existenz der Taliban leugnete oder die Korruption der alten Regierung relativierte.

Das wiedererrichtete „Emirat“. Während die Taliban sich mit Männern wie Wardak schmücken und ihm jegliche Vergehen verzeihen, fehlt anderswo von Sanftheit jede Spur. Seit fast einem Jahr regieren die militanten Islamisten Afghanistan. In den vergangenen Monaten haben sie ihr „Emirat“, das 2001 von den USA und deren Verbündeten gestürzt wurde, wieder errichtet. Die Überreste der afghanischen Republik wurden abgerissen, demokratische Institutionen aufgelöst, Einschüchterung und Angst bestimmen den Alltag.

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