Leitartikel

Das Ibiza-Video holt die FPÖ wieder ein

Die politische Themenlage wäre für die Freiheitlichen eigentlich günstig – wären sie nicht mit neuen Enthüllungen konfrontiert.

Wenn es in den letzten Jahren einen genialen politischen Schachzug gegeben hat, dann war es jener der FPÖ, der es gelungen ist, das Ibiza-Thema der ÖVP umzuhängen. Heinz-Christian Strache hat in dem berühmten Ibiza-Video darüber fabuliert, wie im Interesse der Partei Assets der Republik verscherbelt werden und wie man die FPÖ über Vereinskonstruktionen am Rechnungshof vorbei finanzieren kann – und jetzt geht ein eigener Untersuchungsausschuss im Parlament der Frage nach, ob und wie die ÖVP genau diese Praktiken betrieben hat.

Der Fokus auf die ÖVP besteht natürlich zu Recht: Schon die Auswertung des Handys des früheren Öbag-Chefs Thomas Schmid zeigte auf, wie öffentliche Mittel bedenkenlos für parteipolitische Interessen eingesetzt wurden. Auch der Untersuchungsausschuss hat in seiner Anfangsphase schon etliches an Bedenklichem zutage gefördert – etwa die Sonderbehandlung, die die Spitze des Finanzministeriums zahlungskräftigen Freunden der ÖVP in Steuerangelegenheiten zukommen ließ.

Das alles wird berechtigterweise untersucht, auch unter eifriger Mitarbeit der FPÖ. Dabei sind die Freiheitlichen selbst etwas aus dem Blickfeld geraten. Das ändert sich aber gerade: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hatte die Auslöser des Ibiza-Skandals stets weiter im Visier, und jetzt werden auch Akten bekannt, die die Verstrickung der Freiheitlichen in unsaubere Partei-Finanzierungsgeschäfte aufzeigen.

Noch etwas wird offensichtlich: Mit der Einigkeit in der FPÖ ist es nicht weit her. Herbert Kickl ist zwar im Vorjahr mit großer Mehrheit zum Parteichef gewählt worden, er ist aber keineswegs unumstritten. Drei starke Landesparteien gibt es in der FPÖ, nämlich jene von Wien, Oberösterreich und Kärnten. Der oberösterreichischen FPÖ steht Manfred Haimbuchner vor, von dem bekannt ist, dass er kein Freund des Bundesparteichefs ist. Mit der Wiener Landespartei dürfte sich Kickl in einem beständigen Kleinkrieg befinden. Schon den Kurs in Sachen Coronapandemie hatten die Wiener nicht mittragen wollen. Nun soll der Vertraute Hans-Jörg Jenewein eine anonyme Anzeigen gegen die Wiener Landespartei eingebracht und nach Bekanntwerden des Vorgangs von Kickl fallen gelassen worden sein.

Das wird der FPÖ noch heftige interne Turbulenzen bescheren. Dabei wollte sie gerade jetzt im Herbst einen Probegalopp in Richtung nächster Nationalratswahl starten. Walter Rosenkranz hat als FPÖ-Kandidat zwar nur geringe Chancen, gegen Amtsinhaber Alexander Van der Bellen die Bundespräsidentenwahl zu gewinnen, er kann aber in den nächsten Monaten als einziger ernsthafter Gegenkandidat die politische Themenlage beeinflussen.

Die ist im Moment ja eigentlich günstig für die Freiheitlichen. Zwar spielt ihr Dauerthema „Ausländer“ temporär nur eine untergeordnete Rolle, und auch dem Kampf gegen die Pandemiepolitik geht angesichts der Abschaffung praktisch aller Maßnahmen die Luft aus – das bekommt auch die MFG zu spüren, die in Umfragen gerade abstürzt. Aber die hohe Inflation und die Energiekrise bieten einer Partei, die auf der Populismusschiene unterwegs ist, jede nur erdenkliche Möglichkeit.

Zumal die FPÖ da ein Alleinstellungsmerkmal hat: Als einzige Partei widerspricht sie dem allgemeinen Konsens in Sachen Ukraine-Krieg und lehnt die Sanktionen gegen Russland ab. Dass Österreich ohne Sanktionen besser fahren würde – dieser Standpunkt hat durchaus eine gewisse Popularität. Sollten Inflation und Energiepreise im Herbst weiter steigen, ist mit einer breiten Protestbewegung gegen die Regierung zu rechnen. Offen ist noch, wie sich diese organisieren wird und wer an der Spitze steht. Die Freiheitlichen könnten aber durchaus zu den Profiteuren gehören.

In der Situation kann man einen internen Machtkampf und Diskussionen über die Parteienfinanzierung nicht brauchen – aber auch nicht zum Verschwinden bringen. Diesem Dilemma muss sich die Partei stellen – es ist ja nicht zum ersten Mal.

E-Mails an: martin.fritzl@diepresse.com

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