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Finanzierung ungeklärt: Streit um beliebtes 9-Euro-Ticket in Deutschland

IMAGO/Stefan Zeitz
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Seit dem Verkaufsstart Ende Mai bis einschließlich Montag seien bundesweit 38 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft worden. Die Nachfrage bleibt groß. Trotzdem tobt ein Streit darüber, wie das Erfolgsmodell künftig finanziert werden könnte.

Die Nachfrage nach dem 9-Euro-Ticket in Deutschland ist hoch geblieben. Seit dem Verkaufsstart Ende Mai bis einschließlich Montag sind dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zufolge bundesweit 38 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft worden. Trotzdem tobt ein Streit darüber, wie das Erfolgsmodell weiterfinanziert werden könnte. Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist jedenfalls gegen eine "Gratismentalität".

Zu den 38 Millionen verkauften Tickets "kommen die jeweils etwa zehn Millionen Abonnentinnen und Abonnenten hinzu, die monatlich das vergünstigte Ticket automatisch erhalten", teilte der VDV am Montag weiter mit. Ferienbedingt sei lediglich ein leichter Rückgang bei den Verkäufen festzustellen.

"Die aktuellen Zahlen bestätigen nach wie vor unsere Prognose von monatlich etwa 30 Millionen 9-Euro-Tickets", hieß es von VDV-Chef Oliver Wolff. Dafür müssen allerdings die rund zehn Millionen Abonnentinnen und Abonnenten, die sich nicht extra ein 9-Euro-Ticket kaufen mussten, jeden Monat neu mitgezählt werden.

Debatte um Anschlusslösung

Die Debatte rund um eine Anschlusslösung ging unterdessen am Montag weiter. SPD-Chef Lars Klingbeil sprach sich auf NDR Info dafür aus, einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket mit einer Sondersteuer auf hohe Zusatzgewinne von Energieunternehmen zu finanzieren. Es gebe Unternehmen, die durch den russischen Krieg in der Ukraine "massive Gewinne machen, ohne dass sie auch nur einen Handschlag mehr tun", sagte Klingbeil am Montag dem Sender. "Deswegen fordere ich, dass wir eine Übergewinnsteuer auch in Deutschland einführen."

So würden diejenigen stärker belastet, die ohne eigenes Zutun mehr verdienten. Mit dem Geld könne die "dringend notwendige" Nachfolge für das 9-Euro-Ticket bezahlt werden. "Dass wir dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger weiter kostengünstig den öffentlichen Nahverkehr nutzen können, das sollten wir hinkriegen", sagte Klingbeil. "Das Geld ist da, wir müssen es nur haben wollen."

Lindner gegen "Gratismentalität"

Am Wochenende hatte sich Finanzminister Christian Lindner (FDP) gegen eine Finanzierung aus dem Bundeshaushalt für eine Nachfolgelösung des 9-Euro-Tickets ausgesprochen. Dafür stünden in der Finanzplanung keinerlei Mittel zur Verfügung. Der Minister sagte, er sei von einer "Gratismentalität à la bedingungsloses Grundeinkommen" auch im Öffentlichen Nahverkehr nicht überzeugt. "Jeder Steuerzuschuss für ein nicht die Kosten deckendes Ticket bedeutet Umverteilung." Er halte es nicht für fair, wenn die Menschen auf dem Land, die keinen Bahnhof in der Nähe haben und auf das Auto angewiesen seien, den günstigen Nahverkehr subventionierten.

Die Aussagen des Politikers stießen zum Wochenanfang auf Kritik. "Menschen wissen nicht, wie sie über den Monat kommen sollen, Menschen sind verzweifelt, und dann von "Gratismentalität" zu sprechen, ist eine Frechheit", sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, am Montag in der Sendung "Frühstart" von RTL/ntv. "Es wäre Aufgabe der Politik, jetzt den Personennahverkehr im ländlichen Raum auszubauen und nicht davon zu erzählen, dass es unfair wäre, wenn der eine einen Bus hat und der andere nicht."

Nur leichter Verlagerungseffekt bemerkbar

Unterdessen haben die ersten Auswertungen mehrerer Studien rund um das 9-Euro-Ticket ergeben, dass die Sonderfahrkarte zwar durchaus Wirkung zeige, aber kaum alle Hoffnungen und Ziele erfüllen könne. "Aus den bisherigen Untersuchungen lässt sich nur ein leichter Verlagerungseffekt von der Straße auf den Öffentlichen Verkehr von bestenfalls zwei bis drei Prozent erkennen", sagt etwa Christian Böttger, Bahn-Experte an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW).

Das deckt sich mit ersten Ergebnissen einer Studie aus dem Großraum München, die unter anderem die Bewegungsdaten Hunderter Teilnehmer auswertet. Sie kam zum Schluss, dass 35 Prozent der Probanden häufiger mit Bus und Bahn fuhren - aber nur drei Prozent ihr eigenes Fahrzeug seltener nutzten. Fachleute warnten allerdings, dass die Datenlage nach wie vor sehr dünn sei. Für endgültige Schlüsse sei es noch zu früh.

(APA)

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