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Deutschtürkin Özdamar erhält den Büchner-Preis

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Die begehrteste Auszeichnung für deutschsprachige Literatur geht an die aus Anatolien stammende Autorin - die Deutsch erst als Erwachsene lernte.

Mit der gebürtigen Slowenin Ana Marwan hat heuer eine Nichtmuttersprachlerin den Bachmannpreis gewonnen – was 21 Jahre vor ihr schon Emine Sevgi Özdamar gelungen ist. Dass Özdamar in jener Sprache, die sie erst Erwachsene lernte, dereinst den angesehensten Preis für deutschsprachige Literatur erhalten würde, den Georg-Büchner-Preis – das hätte sich 1991 wohl niemand träumen lassen.

Özdamar, die am heutigen Mittwoch ihren 76. Geburtstag feiert, wuchs in der Türkei auf. Als Erwachsene kam sie ohne Deutschkenntnisse zum ersten Mal nach Deutschland. Noch in den Jahren danach aber studierte und spielte sie Theater in ihrer Heimat. Erst mit dem Militärputsch von 1971 sah sie keine Zukunft mehr in der Türkei. Sie ging als Regieassistentin an die Volksbühne nach Ost-Berlin. Dort arbeitete sie mit Benno Besson, später unter anderem – als Schauspielerin und Regieassistentin – am Schauspielhaus Bochum unter Claus Peymann.

Viel bekannter in der Öffentlichkeit machte sie allerdings ihr autobiografischer Roman über eine Mädchen-Kindheit in der Türkei, „Das Leben ist eine Karawanserei, hat zwei Türen, aus einer kam ich rein, aus der anderen ging ich raus“; mit einem Auszug daraus gewann sie auch den Bachmann-Preis. Es war nicht ihr erstes Werk und etliche sollten folgen: die Romane „Die Brücke vom Goldenen Horn“ und „Seltsame Sterne starren zur Erde“, aber auch Theaterstücke und Erzählungen.

Das große Comeback seit 2021

Doch in den Zehnerjahren wurde es still um die Autorin. Umso überraschender dann 2021 das Erscheinen eines neuen Romans, wieder autobiografisch, wieder von der Kritik hoch gelobt: „Ein von Schatten begrenzter Raum“ erzählt von Özdamars Emigration aus der Türkei nach Deutschland, von ihren Erfahrungen in Berlin, Paris und Istanbul. Der Roman war für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert.

Viel wichtiger noch als dieser freilich ist der mit 50.000 Euro dotierte Georg-Büchner-Preis. Er gilt als wichtigste literarische Auszeichnung im deutschsprachigen Raum, wird seit 1951 von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt verliehen, und erst elf Autorinnen vor Özdamar haben ihn bekommen. „Ungewohnte literarische Stilmittel und aus dem Türkischen inspirierte Sprechweisen prägen ihre multiperspektivischen Texte, die neben intimen persönlichen Erfahrungen ein breites Panorama deutsch-türkischer Geschichte entfalte (...), vom Ersten Weltkrieg über die Aufbruchstimmung der sechziger und siebziger Jahre bis in unsere Gegenwart“, heißt es in der Jurybegründung.

Özdamars Werk eröffne „einen zugleich intellektuellen wie poetischen Dialog zwischen verschiedenen Sprachen, Kulturen und Weltanschauungen, an dem wir lesend teilhaben dürfen.“ Zu den bisherigen Preisträgern gehören unter anderem Max Frisch, Günter Grass, Heinrich Böll und Josef Winkler, zuletzt Terézia Mora, Lukas Bärfuss, Elke Erb – und 2021 der österreichische Schriftsteller Clemens Setz.

(sim)

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