Interview

Mölzer kritisiert Kickls "Politik der verbrannten Erde“

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PK FPOe 'VEROeFFENTLICHUNG HISTORIKERBERICHT: MOeLZERHERBERT P. OCZERET / APA / pictu
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Das freiheitliche Urgestein Andreas Mölzer findet im „Presse"-Interview die blauen Querelen „im hohen Maße bedenklich“, die Lage für Herbert Kickl sei „schwierig“. Und: Warum die aktuelle FPÖ-Positionierung letztlich „zu einer Linksregierung“ führen werde.

Die Presse: Geheim aufgezeichnete Gespräche unter Parteikollegen, anonyme Anzeigen, selbst Blaue reden von internem „Misstrauen“: Was ist denn da los in der FPÖ, Herr Mölzer?

Andreas Mölzer: Einerseits war dieses politische Lager immer sehr streitbar. Selbst in der Monarchie gab es die sogenannte deutsche Zwietracht im nationalen Lager. Auch die Geschichte der FPÖ in der Zweiten Republik ist durch vielfältige innere Zwiste gekennzeichnet, da gab es etwa den Streit zwischen national und liberal, Steger gegen Haider und so weiter. Es ist also nichts Neues, dass es Auseinandersetzungen gibt, die Meinungsfreiheit war bei den Freiheitlichen immer ein hohes Gut. Aber: Auch Kameradschaftlichkeit war in der FPÖ eigentlich immer eine wichtige Sache. Und da ist dieses Abhören und Denunzieren eine neue Qualität. Das hat es bei allen Auseinandersetzungen bisher nicht gegeben. Das ist im hohen Maße bedenklich.

Was heißt das für Parteichef Herbert Kickl?

Für Kickl ist die Situation sicher schwierig. Das Vertrauen ist das höchste politische Gut. Und es ist auch eine Bringschuld des Obmanns.

Und wie kann er dafür sorgen?

Indem all diese Dinge aufgeklärt werden. Aber zuallererst ist da natürlich auch die Behörde gefordert. Da gibt es bisher nur Mutmaßungen, wer was gemacht hat und wer davon gewusst haben könnte.

Glauben Sie, dass sich das auf Walter Rosenkranz auswirkt?

Der hätte sich das bestimmt nicht ausgesucht, statt seinen Vorstellungen vom höchsten Staatsamt innerparteiliche Abhörskandale zu debattieren. Das ist sicher kein Nutzen für ihn.

Welche Chancen geben Sie ihm bei der Wahl?

Er wirkt sicher in das bürgerliche Lager hinein. Das ist die Chance, deshalb war er eine gute Wahl. Ob die Chance jetzt aufgrund der gegenwärtigen Verhältnisse größer geworden ist, da habe ich Zweifel.

Rosenkranz sagt, er würde die Regierung mit großer Wahrscheinlichkeit rauswerfen. Wie finden Sie das?

Verfassungsmäßig steht ihm dieses Recht zu. Wenn der Bundespräsident zu dem Schluss kommt, dass die Regierung das Vertrauen der Bevölkerung verloren hat, ist es denkbar, Neuwahlen zu veranlassen.

Heikle Ausrichtungsfragen dürften mit ein Grund für die aktuellen Querelen in der FPÖ sein, sagen Parteikenner. Wie nachhaltig ist es, gewisse Wählergruppen mit – vorsichtig formuliert – derart zugespitzter Coronapolitik zu erschließen, Herr Mölzer?

Das ist differenziert zu betrachten. Für Bürgerrechte in einer Pandemie einzutreten, das ist ein genuin liberales Thema und steht der FPÖ also auch dogmengeschichtlich zu. Dass das aber gepaart war mit einer gewissen Wissenschaftsfeindlichkeit, ist sehr bedenklich. Früher war dieses Lager einmal sehr wissenschaftsaffin. Da ist es negativ, wenn man auf einmal eine wissenschaftsfeindliche Partei ist.

Ist die blaue Corona-Ausrichtung Ihrer Ansicht nach geklärt?

Sie ist obsolet geworden, weil es schlichtweg nicht mehr das Thema ist. Die Frage für die Partei ist eher: Sind diese Wählerschichten, die man da angesprochen hat, nachhaltig freiheitlich? Da habe ich gewisse Zweifel.

Was nährt diese Zweifel?

Dass bei diesen Coronagegnern viele dabei waren, die das Ganze sektenhaft empfunden haben. Wählerstimmen haben natürlich kein Mascherl. Aber die Frage ist schon, ob diese Leute dauerhaft die Inhalte der FPÖ vertreten oder wählen werden.

Rechnen Sie mit einer weiteren freiheitlichen Implosion wie beispielsweise einst in Knittelfeld?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Da gab es andere Voraussetzungen. Auch der Parteichef ist nicht infrage gestellt, es ist keine Alternative da. Es geht also um die Vertrauensfrage, zumal ja ein Parteitag mit einer Wahl des Obmanns ins Haus steht. Da ist es schon ein Unterschied, ob man mit 98 Prozent heimgeht oder mit 54.

Nachdem man jahrelang durch den Ibiza-Sumpf von einer Wahlschlappe zur nächsten gewatet ist, hat sich die FPÖ mit Kickl in Umfragen konsolidiert. Der Preis dafür ist aber eine Positionierung, die eine Regierungsbeteiligung – zumindest auch Sicht der anderen Parteien – quasi verunmöglicht. Wo will man eigentlich hin? Wo soll man hin?

Das ist das strategische Dilemma der Kickl-FPÖ. Man wird stärker, möglicherweise sogar stärker als die ÖVP. Man hat aber keinen strategischen Partner, um das in Regierungstätigkeit umzusetzen. Kickl ist persönlich ein harter Oppositionspolitiker und womöglich der beste Rhetoriker im Parlament. Aber er hat scheinbar keine Querverbinder. Haider hatte das, Strache auch. Jetzt gibt es das offenbar nicht. Mein Freund Hafenecker zum Beispiel leistet gute Arbeit im Untersuchungsausschuss und trägt zur Demontage der ÖVP bei. Das verstehe ich emotional ja gewissermaßen. Andererseits ist das Ergebnis davon, dass wir eine Linksregierung im Land kriegen. Da frage ich mich natürlich auch: Will das die FPÖ? Und ergibt das strategisch Sinn?

Ist also langfristig wieder eine Regierung mit der ÖVP anzustreben? Kickl gilt nicht gerade als Fan einer solchen Koalition.

Etwas anderes ist aber schwer vorstellbar, weil ja der linke Flügel der SPÖ eine Koalition mit der FPÖ nicht aushalten würde. Die FPÖ hat schlechte Erfahrungen mit der ÖVP gemacht. Aber wo ist die Alternative? Kickl führt da tendenziell eine Politik der verbrannten Erde, wo man mit keinem reden kann. Das muss man überwinden, um wieder in Regierungsverantwortung zu gelangen. Das muss das Ziel sein.

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