Fahrbericht

Porsche 718 Spyder: Es lebe die Unvernunft

Der Porsche 718 Spyder
Der Porsche 718 Spyder(c) Die Presse/Clemens Fabry (Clemens Fabry)
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Das Raunzen mancher Käufer über die untermotorisierte 718-Reihe hat Porsche mit einem radikalen Sportwagen beantwortet. Wir fuhren den 718 Spyder mit Vier-Liter-Saugermotor und 420 PS.

Wien. Ein Kollege hat neulich einen schön zu lesenden Verriss über den Porsche Taycan 4S geschrieben. Sinngemäß kritisierte er, dass niemand so ein Elektroauto mit so viel PS (571) benötigt.

Natürlich hat er nicht unrecht. Wenn es nach der Vernunft geht, dann können wir uns alle mit einem Dreizylinder-Dieselauto mit maximal 130 km/h oder einem Elektroauto mit einer Reichweite von 150 Kilometern begnügen, das deckt 90 Prozent aller Fahrten in Österreich ab.

Und dann steigt man in den Porsche 718 Spyder ein, und alle Vernunft fällt von einem ab. Vier-Liter-Saugermotor, sechs Zylinder, 420 PS. Wer braucht so etwas? Niemand braucht so etwas! Aber wenn man dieses Auto einmal gefahren ist, dann will man nie wieder etwas anderes fahren.

(c) Die Presse/Clemens Fabry (Clemens Fabry)

Es geht hier gar nicht um die Geschwindigkeit. Natürlich sind die 3,9 Sekunden in der PDK-Version (serienmäßig ist eine Handschaltung) von null auf 100 km/h recht beeindruckend. Und natürlich ist eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h unglaublich, wenn man allein die physikalischen Herausforderungen bei so einem Tempo bedenkt.

Es geht vielmehr um die Freude am Fahren, die einem die Technik ermöglicht. Die Präzision der Lenkung etwa, die jede kleinste Bewegung am Lenkrad sofort auf die Straße übersetzt. Oder der Saugermotor, der in seinen Eigenschaften einem Elektromotor am nächsten kommt. Ein noch so dezenter Gasstoß wird ohne Verzögerung in Beschleunigung umgesetzt, die Kraft liegt linear bis 6800 Umdrehungen pro Minute an. Wer dem sechszylindrigen Orchester im Rücken ein Fortissimo entlocken will, kann den Spyder bis auf 8000 Umdrehungen hochtreiben.

(c) Die Presse/Clemens Fabry (Clemens Fabry)

Der Porsche Spyder und sein geschlossener Bruder, der Cayman GT4, sind die Antwort der Sportwagenschmiede auf das Raunzen mancher Käufer über den Vierzylindermotor, der in dieser Baureihe üblich ist. Also hat man im Stuttgarter Ortsteil Zuffenhausen das Triebwerk der 911-Carrera-Baureihe genommen, hat es zwischen die Achsen der 718-Serie gesetzt und so einen radikalen Sportwagen kreiert. Mit viel Aufwand hat man es sogar geschafft, die dachlose Version nicht schwerer zu machen. Normalerweise muss man Teile verstärken, um die Steifigkeit zu erreichen, die sonst ein Dach liefert. Der Spyder bringt aber leer nicht mehr Gewicht auf die Waage als der GT4: 1450 Kilogramm.

Dafür macht man beispielsweise die Tür mit einer Schlaufe auf, was für kurzweilige Unterhaltung durch erstmalige Beifahrer sorgt. Es gibt keinerlei Assistenten, keinen automatischen Abstandshalter und auch keinen Querverkehrswarner. Wie ursprünglich dieser Sportwagen ist, kann man daran erahnen, dass er noch – kein Witz – ein CD-Laufwerk hat. Die Jungen werden das nicht mehr kennen: Das ist ein Abspielgerät für runde, silberne Scheiben, auf denen Musik gespeichert ist. Eine Art Spotify zum Angreifen.

(c) Die Presse/Clemens Fabry (Clemens Fabry)

Und auch das Dach des Porsche Spyder faltet sich nicht raffiniert und angetrieben von einem kleinen Elektromotor automatisch zusammen, man muss es händisch verstauen: Erst entriegelt man das Stoffverdeck per Knopfdruck, dann steigt man aus und drückt zwei in den Stoff eingenähte Knöpfe, klappt die Enden des Verdecks leicht verdreht ein, öffnet die hintere Haube mit den Höckern, drückt das Dach in das Staufach, schließt erst die Haube und zum Schluss die beiden Klappen rechts und links.

Wenn man die Position des raffiniert vernähten Knopfs im Stoffverdeck auf beiden Seiten einmal gefunden hat, dann ist das Öffnen des Dachs wie ein Ritual vor Beginn einer lustvollen Ausfahrt. Denn natürlich fährt sich ein Sportwagen am schönsten in seiner offenen Art. Wenn man die Geschwindigkeit spürt und das Brüllen des Sechszylindermotors wie aus Surround-Boxen in die Ohren dröhnt. Deshalb auch das CD-Laufwerk, weil ohnehin niemand Musik in diesem Auto abspielt.

In Österreich kostet der Porsche 718 Spyder ab 131.638 Euro, in Deutschland wegen des Wegfalls der NoVA ab 100.283 Euro. Es gab noch nie einen besseren Grund, nach Deutschland zu übersiedeln.

Porsche 718 Spyder


Maße
: L/B/H: 4430/1801/1258 mm, Leergewicht: 1450 Kilogramm (PDK), Radstand: 2484 mm.

Antrieb: Sechszylinder-Boxer-Saugermotor, Hubraum: 3995 ccm, Leistung: 420 PS (309 kW), max. Drehmoment: 430 Nm bei 5500 U/min. Beschleunigung (PDK): von 0 auf 100 km/h: 3,9 Sek., von 0 auf 200 km/h: 13,4 Sek., vMax: 300 km/h, Verbrauch: 10,2 Liter/100 km. CO2: 232 g/km. Testverbrauch: 12,5 Liter/100 km.

Preis: ab 131.638 Euro

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