Reportage

Südkorea: Die Pandemie hinterlässt tiefe soziale Gräben

Felix Lill
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Südkorea kam hervorragend durch die Pandemie: Die Infektionszahlen waren gering, die Wirtschaft brach kaum ein. Doch es gab für Kleinbetriebe und Arbeitnehmer wenig Hilfe. Heute herrscht im Land eine Ungleichheit, wie es sie lange nicht gab.

Heute ist es richtig ruhig hier“, sagt Kim So-yeon und deutet zur vollgesteckten Pinnwand im Eingangsbereich: „Sie sind jetzt alle draußen und protestieren.“ Rund 20 Arbeiterinnen und Arbeiter übernachteten die letzten Tage hier, um die nächste große Demonstration zu organisieren. „Bei einem Subunternehmen des Konzerns Daewoo Shipbuilding wurden die Löhne um 30 Prozent gekürzt, obwohl deren Geschäft gut läuft. Das können wir uns nicht gefallen lassen! Sonst geht es nur so weiter!“
Kim So-yeon, eine Frau mit schulterlangen Haaren, einer lockeren Jeans und rauen Händen, lächelt bitter. „In diesem Land muss man sich alles hart erkämpfen, geschenkt kriegt man nichts“, sagt die 52-Jährige. Als Leiterin des Hauses Cool Jam im Zentrum von Seoul ist Kim So-yeon an praktisch jedem Arbeiterprotest Südkoreas beteiligt, auch wenn sie mittlerweile bei keinem selbst dabei ist. „Eine muss hier die Stellung halten.“

Dieses fünfstöckige Gebäude mit 50 Schlafplätzen und mehreren Büros ist ein weltweit einmaliges Konstrukt. Durch Spenden aus der Zivilgesellschaft errichtet, soll es Menschen im ganzen Land ermöglichen, sich in der ökonomisch und politisch übermächtigen Hauptstadt Seoul zu versammeln, wann immer es nötig ist. Angestellte bei Zeitarbeitsfirmen kriegen hier gratis Kaffee, Schichtarbeiter können hier schlafen, wenn es freie Plätze gibt. „Wir sind für alle da, die Hilfe brauchen“, sagt Kim So-yeon. „Davon gibt es immer mehr, vor allem seit der Pandemie.“
Wobei dieser letzte Satz überraschen mag. Ist Südkorea nicht zum Neid der Welt geworden, seit Covid-19 rund um den Globus wütet?

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