Unterdrückung

Taliban machen Jahrestag der Machtübernahme zu Feiertag

Demonstrierende Frauen wurden von Taliban-Kämpfern gejagt und mit Gewehrkolben geschlagen.
Demonstrierende Frauen wurden von Taliban-Kämpfern gejagt und mit Gewehrkolben geschlagen.APA/AFP/WAKIL KOHSAR
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Der 15. August markiere von nun an den "ersten Jahrestag des Sieges“ über die „amerikanische Besatzung". Eine Demonstration von Frauen gegen die Neuerung wurde gewaltsam zerschlagen.

Die militant-islamistischen Taliban haben für den Jahrestag ihrer Rückkehr an die Macht in Afghanistan einen Feiertag ausgerufen. Der 15. August markiere den "ersten Jahrestag des Sieges des vom Islamischen Emirat Afghanistan angeführten afghanischen Jihad über die amerikanische Besatzung und ihre Verbündeten", schrieb das Ministerium für Arbeit und Soziales am Sonntag in einer Mitteilung zur Ankündigung des Feiertages.

Die Taliban waren vergangenes Jahr auf wenig Gegenwehr der afghanischen Streitkräfte gestoßen, als sie das Land nach und nach unter ihre Kontrolle brachten und schließlich die Hauptstadt Kabul einnahmen. Die US- und Nato-Truppen zogen ab. Nach der Einnahme Kabuls durch die Taliban erfolgte ein internationaler militärischer Evakuierungseinsatz. Am Flughafen der Hauptstadt spielten sich dramatische Szenen ab, als viele Menschen das Land verlassen wollten.

Seit ihrer Rückkehr an die Macht unterdrücken die Taliban jede abweichende Meinung. Willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Tötungen ehemaliger afghanischer Amtsträger und Angriffe der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) gegen religiöse Minderheiten haben zugenommen. Auch die wirtschaftliche Not ist größer als zuvor. Fast die Hälfte der Bevölkerung ist von Hunger bedroht.

„Keine Terrorgefahr geht von Afghanistan aus"

Nach Angaben der Taliban geht von afghanischem Boden keine Terrorgefahr aus - nicht so wie einst, als sie während ihrer ersten Herrschaft vor den 9/11-Anschlägen in den USA der Al-Kaida Unterschlupf boten. Mit Blick auf das Terrornetzwerk Al-Kaida sagte der Taliban-Sprecher und stellvertretende Minister für Information und Kultur, Zabiullah Mujahid der deutschen Zeitung "Welt am Sonntag": "Für sie ist hier kein Platz."

Die Taliban hätten sich "im Doha-Abkommen mit den USA und ihren Verbündeten dazu verpflichtet, nicht zuzulassen, dass irgendeine Gruppe von afghanischem Boden gegen sie operiert. Damit ist es uns ernst", sagte Mujahid.

Anfang August hatten die USA den Al-Kaida-Chef Ayman al-Zawahiri mit einer von einer Drohne abgeschossenen Rakete in der afghanischen Hauptstadt Kabul getötet. "Das Islamische Emirat Afghanistan hat ein Expertenteam beauftragt, diese Angelegenheit zu untersuchen", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Bilal Karimi der "Welt am Sonntag". Die Ergebnisse dieser Untersuchung werde man nach Abschluss der Ermittlungen bekannt geben.

EU „besonders besorgt“ um Frauen und Mädchen

Nach der gewaltsamen Auflösung einer Demonstration von Frauen in Kabul für mehr Rechte in Afghanistan hat sich die EU "besonders besorgt" über die Verschlechterung der Lebensbedingungen von Frauen und Mädchen im Land gezeigt. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte am Sonntag, jede humanitäre Hilfe für Afghanistan hänge davon ab, dass die Taliban die Grundsätze der Menschenrechte respektierten, "insbesondere die Rechte von Frauen und Mädchen, Kindern und Minderheiten".

Kurz vor dem Jahrestag der Machtübernahme der Taliban in Kabul hatten die Islamisten am Samstag eine Demonstration von Frauen für mehr Rechte gewaltsam aufgelöst. Die Kämpfer schossen in die Luft, um die rund 40 Demonstrantinnen zu vertreiben, die vor dem Bildungsministerium in der afghanischen Hauptstadt "Brot, Arbeit und Freiheit" skandierten, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete.

Einige Frauen, die in nahe gelegene Geschäfte flüchteten, wurden von den Taliban gejagt und mit Gewehrkolben geschlagen. Auch Journalisten, die über die erste Frauen-Demonstration seit Monaten berichten wollten, wurden nach Angaben des AFP-Reporters geschlagen.

„15. August ist ein schwarzer Tag"

Die Demonstrantinnen forderten das Recht auf Arbeit und politische Teilhabe. Sie trugen ein Transparent mit der Aufschrift "Der 15. August ist ein schwarzer Tag" - am Montag jährt sich die Machtübernahme durch die Taliban zum ersten Mal.

"Die Europäische Union ist besonders besorgt über das Schicksal der afghanischen Frauen und Mädchen, denen ihre Freiheiten, Rechte und ihr Zugang zu Grundversorgungsleistungen wie Bildung systematisch verwehrt werden", hieß es in der von Borrells Büro veröffentlichten Erklärung.

Afghanistan müsse die vom Land unterzeichneten internationalen Verträge einhalten, "einschließlich der Wahrung und des Schutzes wirtschaftlicher, sozialer, kultureller, bürgerlicher und politischer Rechte", bekräftigte Borrell. Ebenso müsse der Staat eine "vollständige, gleichberechtigte und sinnvolle Vertretung und Beteiligung aller Afghanen an der Führung des Landes ermöglichen".

Zehntausende Mädchen aus Schulen ausgeschlossen

Die Taliban hatten bei ihrer Machtübernahme eine gemäßigtere Form der islamistischen Herrschaft versprochen als jene, die sie zwischen 1996 und 2001 in Afghanistan praktiziert hatten. Doch wurden in den vergangenen zwölf Monaten unter anderem die Frauenrechte wieder massiv beschnitten.

Zehntausende Mädchen wurden von weiterführenden Schulen ausgeschlossen. Frauen dürfen auch nicht mehr in Regierungsämtern arbeiten. In den Parks der Hauptstadt wurden getrennte Besuchstage für Männer und Frauen eingeführt. Im Mai ordnete Taliban-Chef Hibatullah Akhundzada zudem an, dass sich Frauen in der Öffentlichkeit vollständig verhüllen müssen.

Der EU-Außenbeauftragte erklärte auch, dass "Afghanistan keine Bedrohung für die Sicherheit eines anderen Landes darstellen" dürfe. Die Taliban hatten versichert, nichts von der Anwesenheit von Al-Kaida-Chef Ayman al-Zawahiri in ihrem Land gewusst zu haben. Die USA hatten Zawahiri nach eigenen Angaben Anfang des Monats in Kabul durch eine Drohne getötet.

(APA)

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