Inflation

Argentinien in der Dauerkrise

Mitglieder sozialer Organisationen protestieren am 10. August 2022 auf der Plaza de Mayo vor dem Präsidentenpalast Casa Rosada in Buenos Aires für bessere Gehälter bzw. mehr Jobs.
Mitglieder sozialer Organisationen protestieren am 10. August 2022 auf der Plaza de Mayo vor dem Präsidentenpalast Casa Rosada in Buenos Aires für bessere Gehälter bzw. mehr Jobs.APA/AFP/LUIS ROBAYO
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In der zweitgrößten Volkswirtschaft Südamerikas liegt die Inflation mittlerweile bei 71 Prozent. Die Regierung übt sich in Verzweiflungsaktionen.

Buenos Aires. In vielen Regionen der Welt ziehen die Preise gerade kräftig an. Kaum ein Land hat so viel Erfahrung mit der Teuerung wie Argentinien. Mit Ratenkäufen, Devisengeschäften und der Flucht in Sachwerte versuchen die Menschen dort, die Folgen der Inflation abzufedern.

Argentiniens neuer Wirtschaftsminister hat ein klares Ziel. „Eines der zentralen Themen meiner Amtszeit wird der Kampf gegen die Inflation sein“, kündigte Sergio Massa nach seiner Vereidigung an. Seine Vorgängerin hatte sich gerade einmal einen knappen Monat in dem Amt gehalten, Massa will nun das Ruder herumreißen. „Wir müssen mit aller Entschlossenheit gegen die Inflation vorgehen, denn sie ist die größte Fabrik für Armut in diesem Land. Wir in Argentinien leiden darunter, und die Welt leidet auch darunter.“

In dem Land ist die Inflationsrate mittlerweile auf 71 Prozent gestiegen. Allein im Juli zogen die Preise um 7,4 Prozent im Vergleich zum Vormonat an, wie das Statistikamt (Indec) vergangenen Donnerstag mitteilte. Das ist fast so viel wie in Österreich im ganzen Jahr. Die linke Regierung von Präsident Alberto Fernández kündigte an, in Abstimmung mit den Unternehmern und den Gewerkschaften die Preise und Löhne für zwei Monate einzufrieren, um die rasante Geldentwertung zu bremsen.

Die Staatsschulden sind enorm

Der Krieg in der Ukraine, die Unterbrechung der Lieferketten und die hohen Staatsausgaben zur Überwindung der Coronakrise befeuern wie im Rest der Welt auch in Argentinien die Inflation. Der größte Teil des Problems ist hausgemacht: Um das Haushaltsdefizit zu finanzieren, druckt die Zentralbank ständig Geld und entwertet so den Peso.

Während die kräftige Inflation für die Menschen in den meisten Ländern etwas Neues ist, sind die Argentinier wahre Inflationsexperten. In den vergangenen 50 Jahren waren die Preise in dem Land nur selten stabil. Ende der 1980er-Jahre schnellte die Inflationsrate auf sagenhafte 3000 Prozent. Seit 2018 lag die jährliche Teuerungsrate immer über 30Prozent. Analysten rechnen für Ende des Jahres mit einer Inflationsrate von 90 Prozent.

Um mit den steigenden Preisen mitzuhalten, werden in Argentinien alle sechs Monate die Löhne und Gehälter erhöht – zuletzt um etwa 25 Prozent pro Semester. Oft bleiben die Lohnsteigerungen aber hinter der Inflation zurück. 37,3Prozent der Bevölkerung in dem einst reichen Land gelten mittlerweile als arm.

Da Schulden wegen des Wertverfalls des Peso mit der Zeit immer geringer werden, strecken die Kunden die Bezahlung vieler Produkte über einen möglichst langen Zeitraum. Gerade bei größeren Anschaffungen werden oft Ratenzahlungen ohne Zinsen angeboten, wobei es sich faktisch um einen Preisnachlass handelt. Aber selbst beim Einkauf im Supermarkt fragen die Kassierer stets, ob man die Zahlung auf mehrere Raten verteilen möchte.

(ag.)

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