"Stell dir vor, es ist Krieg": Wie man richtig mit falschen Zitaten umgeht

Brecht hat's jedenfalls nicht erfunden. Werner Kogler und ein Zitat, um das heftig gekämpft wird.

Will man einen naiven Pazifismus auf den Punkt bringen, kann man das mit einem sehr bekannten Zitat tun: „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“ Am Montagabend wurden diese Worte Werner Kogler beim ORF-Sommergespräch hingeworfen. Dem Parteichef der Grünen, der gerade gesagt hatte, er würde zur Verteidigung Österreichs zur Waffe greifen. Der Interviewer meinte, man würde die Grünen nicht mehr wiedererkennen, sie hätten sich doch aus der Friedensbewegung heraus entwickelt. Kogler parierte mit einer Variante des Spruchs: „Stell dir vor, es ist Frieden, und einer macht alles hin.“ Ob das Original „eh lustig“ ist, wie Kogler meinte, oder ob darin eigentlich sehr viel mehr (nämlich anderes) steckt – darüber wird seit langem immer wieder gestritten.

So wollen manche wissen, dass die Zeile aus einem Gedicht von Bertolt Brecht stammt, in dem nach dem „und keiner geht hin“ weiter folge: „Dann kommt der Krieg zu euch!“ Der Sinn wäre somit ein gänzlich anderer. Bertolt Brecht, sagt man damit, war nicht so naiv, dass er eine derart simple Parole ausgeben würde.

Und tatsächlich hat er das auch nicht getan, wie etwa Zitatforscher Gerald Krieghofer ausführt. Die Worte stammen nämlich von einem anderen Lyriker. Sie sind die Zuspitzung einer Zeile aus dem mehrere hundert Seiten langen, 1936 publizierten Gedichts „The People, Yes“. Während des Vietnamkriegs erinnerte sich ein Leserbriefschreiber daran, und schließlich machte die Mutter eines US-Kriegsdienstverweigerers den Spruch schließlich populär. „Suppose They Gave a War and No One Came", wurde zum Slogan amerikanischer Hippies.

Manche Worte kommen eben auf verschlungenen Pfaden ins kollektive Gedächtnis. An Brecht pickt er aber jedenfalls, egal, wie oft Kommentatoren anderes schreiben. Doch woher kommt der Zusatz? Er könnte in einer Schweizer Militärzeitung zum ersten Mal vorgekommen sein – ganz klar ist das nicht. Vielleicht fühlte sich jemand wegen anderer Zeilen von Brecht dazu bemüßigt, etwas klarzustellen. „Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt“, der müsse sich vorsehen, schrieb der Dichter in der „Koloman Wallisch Kantate“. Denn er werde die Niederlage teilen.

Wie auch immer: Die Diskussion um das Zitat ist emotional. Nicht nur, wenn ein Grüner nach Pazifismus gefragt wird. Als klug kann gelten, wer sich in der Argumentation nicht auf ein falsch zugeschriebenes Zitat oder dessen erfundene Erweiterung versteift. Wahrscheinlich das Beste, was man damit machen kann tatsächlich, es zu variieren. In diesem Sinne hat Kogler ihn gefunden, den richtigen Umgang mit dem falschen Zitat.

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