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VwGH bestätigt: Abschiebung von Tina bleibt rechtswidrig

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Abschiebung(c) APA/CHRISTOPHER GLANZL (CHRISTOPHER GLANZL)
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Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist mit einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof abgeblitzt.

Es war eine Polizeiaktion, die von Protest begleitet war. Im Jänner 2021 wurden die damals zwölfjährige Tina, ihre Schwester und ihre Mutter nach Georgien abgeschoben. Heuer im März stufte – nach einer Beschwerde – das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Abschiebung als rechtswidrig ein. Daraufhin wandte sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit einer außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH).

Dessen Entscheidung machte nun Tinas Anwalt, Wilfried Embacher, publik. Einfach gesagt, bleibt es bei der BVwG-Einschätzung.

„Kindeswohl hat Priorität"


Juristisch ist es komplizierter: Der VwGH hält die außerordentliche Revision für unzulässig. Denn die gibt es nur bei „Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung“, also z. B. wenn das Gericht von der Judikatur des Gerichtshofs abweicht etc. Doch das ist hier nicht der Fall. Für den VwGH sind die Beurteilungen des BVwG „nicht unvertretbar“. Die Kernfrage in dem Fall sei, „ob das grob missbräuchliche fremdenrechtliche Fehlverhalten“ der Mutter (u. a. Vereitelungshandlungen zur Verhinderung der Abschiebung) zum Zeitpunkt der Abschiebung „noch immer maßgeblich durchschlägt“ auf Tina oder ob „in einer solchen Situation fallbezogen dem Kindeswohl höheres Gewicht zukommt“.

Das BVwG wählte Letzteres und argumentierte, dass sich seit der Abschiebeentscheidung im Herbst 2019 bis zu jener im Jahr 2021 die Umstände maßgeblich geändert hätten.
Heißt das nun, dass Kinder, so sie in Österreich geboren wurden und sehr gut integriert sind, und auch deren Familie nicht abgeschoben werden dürfen? Nein, sagt Embacher, „so pauschal kann man das nicht sagen, es gibt bei der Kindeswohlprüfung viele Faktoren.“ So spielen Alter, Unterschiede zum Herkunftsland, Bildungserfolg und vor allem die Verfahrensdauer eine Rolle. Was für ihn aber nun klargestellt ist: „Dass das Kindeswohl Priorität hat. Kinder müssen sich missbräuchliches Verhalten der Eltern nicht zurechnen lassen.“ Erst wenn strafrechtliches Fehlverhalten vorliege, könne man dies gegen das Kindeswohl abwägen.

Keine Pflicht zur Abschiebung

Wichtig ist für ihn auch die Klarstellung, dass es bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Abschiebung keine Abschiebepflicht gibt, sondern dies im behördlichen Ermessen liegt. Der damalige Innenminister, der heutige Kanzler Karl Nehammer, hatte mit der Pflicht argumentiert.

Dass die Entscheidung puncto Rechtswidrigkeit der Abschiebung sich auf Mutter und Schwester erstreckt und damit alle zusammenbleiben, liegt übrigens auf BFA-Linie. Das Bundesamt hatte ja bei der Abschiebung gegen eine Trennung der Familie argumentiert. Apropos BFA: Dort betont man, dass sich das Erkenntnis auf die Abschiebung und nicht auf das negativ entschiedene Asylverfahren beziehe. Der VwGH habe „eine rein verfahrensrechtliche, keine inhaltliche Entscheidung getroffen“. Und: Der VwGH schreibe auch, dass das BVwG hätte anders entscheiden können. Laut BFA hat der Beschluss auch „keine unmittelbaren Auswirkungen“.

Tina ist bereits mit Schülervisum in Österreich. Mutter und Schwester würden auch gern kommen, obwohl der Zeitpunkt kurz vor Schuleintritt für die sechsjährige Schwester ungünstig sei, sagt Embacher. Und meint: Ihnen würde ein humanitäres Bleiberecht zustehen.

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