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Kultur

Das Reservat für Musik-Abenteurer

Festspieldirigent: Markus Poschner kehrt nach seinem viel beachteten Einstand in Bayreuth zurück nach Linz.
Festspieldirigent: Markus Poschner kehrt nach seinem viel beachteten Einstand in Bayreuth zurück nach Linz.Reinhard Winkler
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Entdeckungen. Die Konzertprogramme des Bruckner Orchester Linz unter Markus Poschner sorgen beim diesjährigen Brucknerfest für spannende akustische Konfrontationen.

Die programmatische Vielfalt des Linzer Brucknerfests zeigt sich in Reinkultur in den Konzerten des Bruckner Orchester Linz: Unter der Leitung seines Chefdirigenten spielt das Hausorchester keineswegs nur Musik seines Namenspatrons. Das auch, aber sogar wenn Bruckner auf dem Programm steht, darf das Publikum manchmal Überraschungen erwarten. Nicht zuletzt, wenn das Festivalmotto diesmal signalisiert, man sei den Nachwirkungen der Musik des Namenspatrons auf der Spur.
So erklingt im Abschlusskonzert in der Stiftskirche St. Florian vor der Pause das Adagio aus der Dritten Symphonie, und zwar in einer auch für geeichte Brucknerianer ungewohnten Fassung.

Musik, inspiriert von St. Florian

Markus Poschner dirigiert an diesem Abend des 11. Oktober eine Zwischenfassung des langsamen Satzes, deren Partitur erst in den frühen 1970er-Jahren gefunden und damals in einem philharmonischen Abonnementkonzert in Wien unter Claudio Abbados Leitung uraufgeführt wurde. Beim Brucknerfest bildet sie nun den Auftakt zu einem besonderen Abend: Nach der Pause steht Alfred Schnittkes Zweite Symphonie auf dem Programm, ein Werk, das vom Kirchenraum in St. Florian inspiriert wurde und nun erstmals dort erklingt, wo der Komponist die ersten Ideen gesammelt hat.

Brucknerfest-Intendant Dietmar Kerschbaum erinnert sich im Gespräch an Schnittkes Erzählungen von dem immensen Eindruck, den der Sakralraum auf ihn gemacht hat, als er in den 1970er-Jahren der Bruckner-Gedenkstätte seinen Besuch abgestattet hat: „Er beschreibt wunderbar, wie machtvoll die Basilika auf ihn gewirkt hat und wie unvergesslich es für in bleiben sollte, dass ein kleiner Chor, für ihn unsichtbar, gerade die Abendmesse gesungen hat. All das hat er in seiner Zweiten Symphonie verarbeitet, die er wenig später über Auftrag der BBC komponiert hat: Halb Symphonie, halb Messe ist das ein Stück, das nun erstmals dort erklingt, wo es eigentlich hingehört!“

In ihrem ersten Konzert im Rahmen des diesjährigen Brucknerfests spielen das Bruckner Orchester Linz und die Solistin Baiba Skride unter Markus Poschners Leitung am 11. September neben dem Fragment von Bruckners Neunter das Violinkonzert Nr. 1 von Krzysztof Penderecki. Die scheinbar eigenwillige Kombination dieser beiden Werke erschließt sich für Markus Poschner mühelos: Da ist einerseits Bruckners ungeheuer zukunftsweisende letzte Symphonie mit ihren formalen und harmonischen Kühnheiten. Dagegen steht andererseits ein Violinkonzert, das sich an einer Schnittstelle der musikalischen Avantgarde befindet.

Poschner: „Penderecki ist ja ein Januskopf: In jungen Jahren galt er als einer der führenden Meister der radikalen Moderne. Im Spätwerk aber kultiviert er eine gewisse Neoromantik. Das Violinkonzert steht da für mich genau im Scheitelpunkt. Von den Abenteuern der berühmten Lukas-Passion ist da nicht mehr viel zu bemerken, wenn es auch noch ein wenig durchschimmert. Der Komponist ist in diesem Werk schon auf dem Weg zur Klangwelt seiner Zweiten Symphonie – und die habe ich sehr gut kennengelernt. Ich durfte Penderecki bei der Einstudierung assistieren.“

Das Violinkonzert beschreibt Poschner als „einsätziges lyrisches, fast sakrales Riesenepos, das sehr gut zu Bruckners Klangwelt passt“. Die Solistin Baiba Skride ist in Sachen Penderecki firm, „sie hat oft mit ihm gearbeitet“, erzählt der Dirigent, „und war daher meine Wunschkandidatin für diesen Abend“.

Die bunte Welt der Moderne

Das bunteste Programm bietet das Bruckner Orchester Linz heuer am 6. Oktober mit einer Kombination aus Heinrich Kaminskis „Dorischer Musik“, Arnold Schönbergs Bearbeitung eines Konzerts von Matthias Georg Monn und Franz Schmidts Zweiter Symphonie. Angesprochen auf Kaminski kommt Markus Poschner ins Schwärmen: „Das ist faszinierende Musik. Man darf nie vergessen: Wilhelm Furtwängler hat über Kaminski gesagt, er sei der beseelteste unter den jungen Komponisten seiner Generation. Das war immerhin die Generation von Webern und Berg. Furtwängler hat auch diese Dorische Musik oft dirigiert, eine Musik, die sehr von Bach inspiriert ist, aber doch ganz aus ihrer Zeit stammt: Kaminski war ja beispielsweise eng mit Emil Nolde befreundet. Seine Klangsprache ist herber als die eines Erich Wolfgang Korngold, strenger im Tonsatz, aber ebenso auf der Kippe zwischen Spätromantik und Moderne.“

Das ist genau der Humus, auf dem Arnold Schönbergs Auseinandersetzung mit einem Cembalokonzert des Musiklehrers am Hof Kaiserin Maria Theresias wachsen konnte: Matthias Georg Monns Vorklassik schimmert durch die abenteuerlichen Klangvisionen, die Schönberg ihr überstülpt, und das originelle harmonische Gewand rätselhaft, manchmal geradezu verschmitzt hindurch.

Ganz ernsthaft, aber mit unverwechselbar österreichisch-romantischem Ton zieht Franz Schmidt, im selben Jahr wie Schönberg geboren, etwa zur selben Zeit Bilanz: Seine groß angelegte Zweite Symphonie, eine der schönsten spätromantischen Symphonien, demonstriert in ihren drei Sätzen noch einmal, was sich in der althergebrachten Sonatenform mit Variationen, aber auch mit der kontrapunktischen Fugentechnik leisten ließ: Ein letztes Mal feiert da – zwei Jahre nach Gustav Mahlers Tod – die Symphonik wienerischer Provenienz noch einmal Triumphe.

Auf einen Blick

Internationales Brucknerfest 2022
„Visionen – Bruckner und die Moderne“

vom 4. September bis 11. Oktober '22

www.brucknerfest.at


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