Wenn ich dich ärgern will, halte ich dir die Tür auf

Mein MONTAG
Nichts ist schöner, als hinter einem freundlich lächelnden Gesicht eine Gemeinheit zu verstecken. Jemanden anzuschreien oder ihm Beschimpfungen an den Kopf zu werfen, das hat absolut keinen Stil. Und im Streit die Hand zu heben, das ist sowieso tabu. Es gibt doch viel spannendere Methoden, Menschen zu erniedrigen – bei denen man von demjenigen auch noch Dank erwarten darf. Am besten funktioniert das, wenn Sie jemandem, der gerade noch ein bisschen zu weit entfernt ist, die Tür aufhalten. Denn der Betreffende gerät angesichts dieser freundlichen Geste in Zugzwang – schließlich will man ja den höflichen Türöffner nicht allzu lange warten lassen – und muss sein gemächliches Tempo erhöhen. Im besten Fall setzt die Person sogar zum kurzen Sprint an. Genau jener Moment, in dem die ungewollte sportliche Betätigung einsetzt, der Körper sich ein wenig nach vorne neigt und die Beine ungelenk in den Trab übergehen, ist die ultimative Erniedrigung. Chapeau!

Was aber macht man im umgekehrten Fall, wenn man schon den scheinbaren Kavalier grinsend in der geöffneten Tür stehen sieht? Dann sollte man nur ja nicht in den Reflex verfallen, den Schritt zu beschleunigen. Dazu gehört eine gewisse Überwindung, das stimmt, doch im besten Fall marschiert man einfach seelenruhig und gemächlich auf die Türe zu. Feinspitze garnieren das Defilee mit einem freundlichen Zuruf à la „Aber nein, lass nur!“ Denn steht derjenige erst einmal in der Tür, kann er gar nicht anders, als dort zu verharren. Wenn Sie ganz gemein sein wollen – und ein paar Münzen eingesteckt haben –, können Sie ihm als Gipfel der Perfidität im Vorbeigehen auch noch eine 50-Cent-Münze zuschnippen. Er wird dann vermutlich freundlich lächeln. Und Sie können sich ausrechnen, wie er es meint...


E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2010)

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