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Drei neue Serien - eine davon ist mörderisch gut

Schwestern, die über Leichen gehen („Bad Sisters“), ein weiblicher Hulk ("She-Hulk"), ein Spital im Extremzustand ("Five Days at Memorial"): Unsere Serientipps handeln – auf sehr unterschiedliche Art – von Kontrollverlust.

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Bad Sisters

Mordlustige Schwestern und ein schrecklicher Schwager
Zu sehen auf Apple TV+

Das bestickte Deckerl auf dem Schoß der Leiche kann es nicht kaschieren, ein Blumenstrauß auch nicht: Dieser tote Mann hat eine deutlich sichtbare Erektion. Was die nur teilweise trauernde Trauergemeinde durchaus amüsiert – eine letzte großtuerische Aktion dieses Mannes, über die die Schwestern seiner Witwe tatsächlich lachen können.

Denn bis zu seinem Tod ist J.P. Williams (herrlich verabscheuenswürdig: Claes Bang), der in der neuen Serie „Bad Sisters“ vorwiegend „The Prick“ (Scheißkerl, Arsch) genannt wird, ein Ekel sondergleichen: Herrisch, übergriffig und hasserfüllt, macht er allen in seinem Umfeld das Leben so schwer wie möglich. Seine Frau Grace (Anne-Marie Duff) kontrolliert er mittels emotionaler Gewalt, ihren vier Schwestern fällt er bei jeder Gelegenheit böswillig in den Rücken. Ist es ihnen zu verdenken, wenn sie da auf recht konkrete Mordgedanken kommen?

Die irische Schauspielerin und TV-Macherin Sharon Horgan („Catastrophe“), die selbst eine der Schwestern spielt, wickelt diese böse Psychodramödie, die auf einer belgischen Vorlage basiert, auf zwei Ebenen auf: In der Gegenwart schnüffeln zwei zahlungsunwillige Lebensversicherungsvertreter nach Indizien für ein Verbrechen, in der Vergangenheit suchen die Schwestern – unter Einfluss vieler Gläser Rotwein – nach einer Gelegenheit dazu.

Wie wird er sterben? Und: Wie geht es Frauen mit Gewissen, die einen Mann ohne Gewissen lynchen wollen? Klug konstruiert und emotional packend gibt sich diese Serie moralischen Grenzüberschreitungen hin – und ist dabei nicht nur auf dunkle, trockene Weise witzig, sondern auch inhaltlich belangvoll. Schildert sie doch – neben einer unterdrückerischen Ehe – eine einzigartige Schwesternschaft: Diese vier Frauen (toll auch Sarah Greene als abgebrühte Bibi mit Piraten-Augenbinde) sind alles andere als perfekt, aber sie gehen füreinander über Leichen. Und das in einer immergrünen irischen Küstenlandschaft, in der sie selbst im Winter fröhlich zitternd im Meer schwimmen und der Wind ihnen stets die Haare zerzaust. Man kann das Salz in der Luft förmlich schmecken – mit einem makabren Nachgeschmack. (kanu)

She-Hulk

Sind Frauen die besseren Superhelden?
Zu sehen auf Disney+

Hulk ist jetzt kein Eigenname mehr, sondern eine Diagnose. „Ich bin ein Hulk“, sagt die Anwältin Jennifer Walters in der neuen Marvel-Serie „She-Hulk“, die wieder einmal einen neuen Winkel der großen Superheldenfamilie unter die Lupe nimmt. Diesmal Hulks Cousine, die erstmals 1980 in einem Comic vorkam und die sich bei ihrem Cousin angesteckt hat. Woraufhin auch sie sich in einen grünhäutigen Kraftprotz verwandeln kann.

Der Unterschied: Während bei jenem nach dem Jekyll-und-Hyde-Prinzip zwei konkurrierende Identitäten in einer Psyche wohnen, hat Jennifer die Kontrolle über ihre Emotionen und Kräfte. Als Frau, erklärt sie schnippisch, sei dies gelernte Überlebensstrategie, müsse sie doch Ruhe bewahren, wenn ihr etwa wieder einmal jemand ihr eigenes Fachgebiet mansplaint. Dass sie kraft ihres Geschlechts als die „bessere“ Superheldin dargestellt wird, erzürnt einige Marvel-Fans, die die Serie mit schlechten Online-Bewertungen fluten. Ein bisserl verstockt wirkt der Versuch des Studios, mit super-toughen Heldinnen im Pop-Feminismus-Diskurs aufzuholen, tatsächlich.

Erfrischend ist in dieser flotten, dialoglastigen Komödie, deren Action-Szenen eher billig aussehen, dass Jennifer gar keine Busse durch die Luft werfen, sondern als Anwältin Karriere machen will. Das gibt Anlass zu einem selbstironischen Blick auf die Superhelden-Manie, wenngleich „She-Hulk“ mit vielen Referenzen auf andere Filme deutlich an Fan-Rezeptoren andocken will. Und Jennifer (Tatiana Maslany) und Hulk (Mark Ruffalo) zwischen Selbstbeherrschungs-Yogaübungen darüber diskutieren lässt, wie Captain America seine Jungfräulichkeit verloren hat. (kanu)

Five Days at Memorial

Eine Naturkatastrophe trifft ein Krankenhaus
Zu sehen auf Apple TV+

Als der Hurrikan Katrina zu toben beginnt, kommen viele ins Memorial Hospital. Nicht, weil sie verletzt wären, sondern weil sie Zuflucht suchen. Das Krankenhaus gilt als sicherer Ort – was daraus wird, hätte sich niemand träumen lassen. Die Serie „Five Days at Memorial“ zeichnet nach, wie Angst und Chaos Tag für Tag stärker werden, wie nach dem Sturm das Wasser steigt und der Strom ausfällt. Wie die Kommunikation nach außen abbricht, Gerüchte die Runde machen, Ärzte in der schwülen Hitze zombiehaft durch die Gänge irren. Wie schwer es ist, unter diesen Bedingungen Patienten zu versorgen, wie viele dennoch ihr Bestes geben. Irgendwann aber bekommen die Patienten Armbänder (das schwarze: sehr schlecht) und schließlich werden 45 Leichen in der Kapelle gefunden. Ihr Tod wird später Gegenstand umstrittener Ermittlungen.

Manches weiß man über die Katastrophe, die 2005 New Orleans heimsuchte. Der Blick ins Innere des Krankenhauses macht sie plastisch – und stellt wichtige Fragen, ohne zu urteilen. Regisseur John Ridley erzählt die Geschichte mit verschiedenen Akteuren im Fokus, die später befragt werden. Die Journalistin Sheri Fink, die für ihre Recherche über die Vorkommnisse im Krankenhaus den Pulitzer-Preis bekam, arbeitete an der Serie mit. Erschreckend realistisch ist das Ergebnis. Die Bildsprache wechselt zwischen den inszenierten Geschichten aus dem Inneren des Krankenhauses und Archivaufnahmen, die die Zerstörung in der Stadt zeigen. (rovi)

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